Von K. Wink*)
im Auftrag der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, ergänzte Fassung, Köln, Februar 2003

*) Prof. Dr. med. K. Wink, Medizinische Fakultät der Universität Freiburg; Arzt für Innere Medizin/Kardiologie.

Inhalt

I.Einführung
 1. Was versteht man unter einer Anwendungsbeobachtung (AWB)?
 2. Zielsetzung einer AWB
 3. Grundlagen für eine AWB
 4. Fehlbestimmung der AWB
 5. Vorgaben für eine AWB
III.Planung
 1. Beobachtungsplan
 2. Beobachtungsbögen
 3. Arztmappe
 4. Honorarvereinbarung
III.Durchführung
 1. Gespräch mit dem Auftraggeber
 2. Ethische Beratung
 3. Patientenrekrutierung
 4. Fachinformation
 5. Verordnungsfähigkeit
 6. Aufklärung des Patienten
 7. Anzeigepflicht
 8. Gefährdungshaftung
 9. Datenerhebung
 10. Erfassung von Nebenwirkungen
 11. Meldepflicht der Nebenwirkungen
 12. Erfassung von Wirkungen
 13. Anonymisierung
 14. Monitoring
IV.Auswertung
V.Beispiele
 1. Schlechtes Beispiel einer Anwendungsbeobachtung
 2. Gutes Beispiel einer Anwendungsbeobachtung
VI.Besonderheiten der Anwendungsbeobachtung bei Kindern und Jugendlichen
VII.Zusammenfassende Darstellung der AWB-Empfehlungen
 1. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
 2. Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI)
 3. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
VIII.Weiterführende Literatur


I. Einführung

1. Was versteht man unter einer Anwendungsbeobachtung (AWB)?

Nach § 67 Abs. 6 AMG (Arzneimittelgesetz) sind Anwendungsbeobach­tungen (AWB) Untersuchungen, die dazu bestimmt sind, Erkenntnisse bei der Anwendung zugelassener, fiktiv zugelassener oder registrierter Arz­neimittel zu sammeln.

Die Anwendungsbeobachtung entspricht somit einer prospektiven Kohortenstudie, bei der nicht-intervenierend der Umgang von Arzt und Patient mit dem Arzneimittel beobachtet wird. Es sollen Daten dokumentiert werden, die bei der Routinebehandlung anfallen.

Dabei soll die Therapiebeobachtung auch nicht störend in die alltägliche Behandlung des Arztes eingreifen. Alle Maßnahmen des Arztes müssen üblich sein, wie sie sich zum Beispiel durch Therapieempfehlungen von Fachgesellschaften ergeben.

Damit grenzt sich die Anwendungsbeobachtung deutlich von der kontrollierten klinischen Prüfung ab, in der die Patienten randomisiert einer Behandlungsgruppe zugeordnet werden, meist eine verblindete Versuchsanordnung gewählt und unter Umständen ein Cross-over-Verfahren durchgeführt wird.

Somit sind bei der Anwendungsbeobachtung im Vergleich zu einer klinischen Prüfung, zum Beispiel Phase IV, die §§ 10, 40, 41 und 42 AMG („Schutz des Menschen bei der klinischen Prüfung“) nicht zu berücksichtigen, eine Patientenversicherung ist nicht erforderlich, und es handelt sich bei den Arzneimitteln nicht um Prüfmuster. Es gilt für die Anwendungsbeobachtung § 67 Abs. 6 AMG die Anzeigepflicht an die Kassen(zahn)ärztliche Bundesvereinigung und die zuständige Bundesoberbehörde.

Bisher hatten Anwendungsbeobachtungen keine klare Grundlage im europäischen Recht. Dies hat sich durch die Verabschiedung der Richtlinie zur Durchführung klinischer Prüfungen (2001/20/EG) geändert.

Zur Abgrenzung von klinischen Prüfungen wird „Nicht-interventionelle Prüfung“ als eine Untersuchung definiert, „in deren Rahmen die betreffenden Arzneimittel auf übliche Weise unter den in der Genehmigung für das Inverkehrbringen genannten Bedingungen verordnet werden. Die Anwendung einer bestimmten Behandlungsstrategie auf den Patienten wird nicht im Voraus in einem Prüfplan festgelegt, sie fällt unter die übliche Praxis, und die Entscheidung zur Verordnung des Arz­neimittels ist klar von der Entscheidung getrennt, einen Patienten in eine Unter­suchung einzubeziehen. Auf die Patienten darf kein zusätzliches Diagnose- oder Überwachungsverfahren Anwendung finden, und zur Analyse der gesammelten Daten werden epidemiologische Methoden angewandt“. (Artikel 2c, Richtlinie 2001/20/EG). Eine Implementierung dieser Bestimmung in deutsches Recht soll mit der 12. AMG-Novelle erfolgen.

2. Zielsetzung einer AWB

Ergänzend zu den klinischen Prüfungen sind Anwendungsbeobachtungen geeignet, die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen.

Zum Zeitpunkt der Zulassung eines Arzneimittels liegen häufig nur Daten von 1 500 bis 4 000 Patienten vor. Diese Patientenzahl ist ausreichend, um die therapeutische Wirksamkeit nachzuweisen und ausreichend zu begründen (§ 25 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 AMG).

Jedoch ist es bei den Daten, die zur Zulassung eingereicht werden, im Allgemeinen nur möglich, Nebenwirkungen mit einer Häufigkeit von 0,1–1% statistisch zu er­kennen. Seltenere Nebenwirkungen sind erst bei größeren Patientenpopulationen auffindbar. Um zum Beispiel eine Senkung der Krankenhaus-Mortalität bei ­Patien­ten mit akutem Myokardinfarkt durch Thrombolyse von 10 auf 8% zu erkennen, sind bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 2a = 0,05 und einer Power von 1-ß = 80% etwa 3 000 Patienten notwendig.

Andererseits sind zum Nachweis der Verminderung einer unerwünschten Arzneimittelwirkung von 1 auf 0,8% (zum Beispiel Hirnblutung bei der thrombolytischen Behandlung des akuten Myokardinfarktes) unter den gleichen biometrischen Bedingungen (2a = 0,05, 1-ß = 0,80) etwa 35 000 Patienten erforderlich.

Da die Therapiephase der Studien zur Zulassung eines Arzneimittels zwangsläufig von begrenzter Dauer ist und nur wenige hundert Patienten zum Beispiel über ein Jahr beobachtet werden, sind Anwendungsbeobachtungen geeignet, auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu entdecken, die erst nach längerem Gebrauch auftreten. So wurde das okulo-otomuko-kutane Practolol-Syndrom nach 500 000 Patientenjahren entdeckt.

Die Anwendungsbeobachtung ergibt aber auch Einblicke, wie sich zugelassene Arzneimittel in der täglichen Praxis auswirken. In klinischen Prüfungen ist es nur möglich, die Wechselwirkungen mit den wichtigsten Arzneimittelgruppen zu prüfen. Die große Vielfalt an Kombinationen ergibt sich erst in der ärztlichen Praxis, in der die Patienten nicht nach Ein- und Ausschlusskriterien selektiert sind. So sind An­wendungsbeobachtungen geeignet, auf Wechselwirkungen hinzuweisen, die vorher aus der klinischen Prüfung nicht bekannt waren.

Anwendungsbeobachtungen ergeben aber auch Hinweise auf die Wirksamkeit von Arzneimitteln. Zwar fehlt in der AWB in der Regel die Kontrollgruppe, die den entscheidenden Vergleich zwischen den Behandlungsgruppen zulässt, jedoch kann bei eindeutigen Therapieeffekten innerhalb der Gruppe (vorher/nachher-Vergleich) auf die Wirksamkeit geschlossen werden.

Auch zeigten Meta-Analysen, die die Ergebnisse randomisierter kontrollierter mit Beobachtungsstudien bei gemeinsamen Krankheitsbildern verglichen, eine bemerkenswerte Übereinstimmung. Wenn eine Beobachtungsstudie gut geplant ist, ergibt sich nicht zwangsläufig eine Überschätzung des Therapieergebnisses (Concato et al., 2000). Dies dürfte auch für Anwendungsbeobachtungen gelten.

Da bei den klinischen Prüfungen zum Nachweis der Wirksamkeit häufig ein durch restriktive Ein- und Ausschlusskriterien möglichst homogenes Kollektiv angestrebt wird, ist dieses oftmals nicht ausreichend repräsentativ für die gesamte Bevöl­kerungsgruppe. Die Anwendungsbeobachtungen können hier ergänzend die Wirksamkeit für solche Gruppen relativieren (zum Beispiel ältere oder jüngere Patienten), die nicht ausreichend in den klinischen Studien vertreten waren.

Auch muss berücksichtigt werden, dass die Bedingungen, unter denen Patienten in einer klinischen Studie und während einer Anwendungsbeobachtung behandelt werden, nicht identisch sind. Die sorgfältigere Beobachtung der Patienten bei der klinischen Prüfung führt wohl dazu, dass Nebenwirkungen häufiger als bei An­wendungsbeobachtungen erfasst werden, jedoch die während einer AWB erfassten Nebenwirkungen von größerer klinischer Relevanz sind.

Man kann davon ausgehen, dass die Compliance (Treue zur Therapie) bei der klinischen Prüfung größer ist als in der täglichen ärztlichen Praxis. Das kann dazu führen, dass sowohl die Wirksamkeit als auch die Nebenwirkungen sich bei der Anwendungsbeobachtung geringer darstellen, sich jedoch ein realeres Bild von der Auswirkung des Arzneimittels auf die Bevölkerung ergibt.

Anwendungsbeobachtungen sollten nicht dazu dienen, die Ärzte dahin­gehend zu überprüfen, ob sie die Arzneimittel ohne Begründung nicht bestimmungsgemäß gebrauchen.

Sind Abweichungen vom bestimmungsgemäßen Gebrauch medizinisch notwendig und geboten, sollte der Einsatz außerhalb der zugelassenen Indikationen („off-label-use“) gut begründet sein und auch angegeben werden, warum man von der Dosierung, Art und Dauer der Anwendung abwich. Keinesfalls darf man sich auf gezielte Fragen nach bestimmten, nicht zugelassenen Indikationen einlassen. Solche Fragen dürfen nur im Rahmen einer Phase-III-Prüfung behandelt werden.

Bei der Planung (siehe dort) sollte exakt festgelegt werden, bei welcher Indikation, Gegenanzeige, Anwendungsbeschränkung und Dosis das Arzneimittel beobachtet werden soll. Nach Abschnitt 5 Nr. 1 der Arzneimittelprüfrichtlinien kann die Anwendungsbeobachtung als „wissenschaftliches Erkenntnismaterial“ bezeichnet werden, das „eine Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels in der angegebenen Dosierung unter Berücksichtigung der vorgesehenen Anwendungsbedingungen ermöglicht“.

Durch Subgruppenanalysen können mittels multivariater Verfahren (logistische Regression) Risikofaktoren für Nebenwirkungen identifiziert werden.

3. Grundlagen für eine AWB

Die rechtliche Grundlage zur Durchführung einer Anwendungsbeobachtung ergibt sich in erster Linie aus § 67 Abs. 6 AMG mit einer allgemeinen Anzeigepflicht für den pharmazeutischen Unternehmer für „Untersuchungen, die dazu bestimmt sind, Erkenntnisse bei der Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel zu sammeln“. Sie sind der Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigung sowie der zuständigen Bundesoberbehörde unverzüglich anzuzeigen. Gemäß § 49 Abs. 6 AMG (automatische Verschreibungspflicht) ist der pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, für ein Arzneimittel, das einen Stoff oder eine Zubereitung nach Absatz 4 Nr. 1 (Stoffe nicht allgemein bekannter Wirkungen) enthält, nach Ablauf von zwei Jahren nach Zulassung des Arzneimittels einen Erfahrungsbericht vorzulegen.

Der Erfahrungsbericht muss Angaben über die in der Berichtszeit abgegebenen Mengen enthalten, ferner sind neue Erkenntnisse über Wirkungen, Art und Häufigkeit von Nebenwirkungen, Gegenanzeigen, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, eine Gewöhnung, eine Abhängigkeit oder einen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch mitzuteilen. Ferner dienen zur Begründung der AWB § 26 Abs. 2 AMG die Arzneimittelprüfrichtlinien, wonach auch das nach wissenschaftlichen Methoden aufbereitete medizinische Erfahrungsmaterial als wissenschaftliches Erkennt­nismaterial gilt.

Nach § 28 Abs. 3a AMG (Auflagenbefugnis) kann angeordnet werden, dass nach der Zulassung Erkenntnisse bei der Anwendung des Arzneimittels systematisch gesammelt, dokumentiert und ausgewertet werden. Nach § 29 Abs.1 AMG (Anzeigepflicht, Neuzulassung), worauf sich auch Anwendungsbeobachtungen beziehen, sind der zuständigen Bundesoberbehörde alle zur Beurteilung von Verdachtsfällen oder beobachtetem Missbrauch vorliegenden Unterlagen sowie eine wissenschaft­liche Bewertung vorzulegen.

4. Fehlbestimmung der AWB

Die Anwendungsbeobachtung sollte kein Instrument für Marketinginteressen sein, mit dem Ärzte vermehrt auf das Produkt aufmerksam gemacht und die Verordnungen vermehrt werden sollen. (Marktpenetration des Arzneimittels)

Durch eine derartige Einschätzung geriet die Anwendungsbeobachtung bei den Ärz­ten, deren Verbänden, Fachgesellschaften und Behörden in Misskredit. Aus gutem Grund müssen deshalb Anwendungsbeobachtungen nicht nur der Bundesoberbehörde, sondern auch den kassenärztlichen Bundesvereinigungen gemeldet werden.

Natürlich ist nicht zu kritisieren, dass durch die Teilnahme an einer AWB der Arzt mit einem Arzneimittel vertrauter wird, solange der wissenschaftliche Charakter der AWB gewahrt bleibt. Durch die Bekanntmachung des BfArM wurde die Grundlage geschaffen, der AWB einen ihr angemessenen wissenschaftlichen Stellenwert einzuräumen.

5. Vorgaben für eine AWB

Damit eine Anwendungsbeobachtung den wissenschaftlichen Anforderungen entspricht, müssen die Vorgaben richtig gewählt sein:

So dürfen die Indikationen nur der Zulassung entsprechen; die Dosierung, Begleit­erkrankungen, Gegenanzeigen, Anwendungsbeschränkungen müssen mit der Fach- und Gebrauchsinformation übereinstimmen.

Es dürfen nur Patienten in die Anwendungsbeobachtung aufgenommen werden, für die das Medikament zugelassen ist, zum Beispiel könnten Kinder und Schwangere, bei strikter Gegenanzeige ausgeschlossen sein.

Ein Arzneimittel darf nicht zu dem Zweck verschrieben werden, um einen Patienten in eine Anwendungsbeobachtung einzuschließen.

Neue Darreichungsformen sind nicht erlaubt, wenn sie nicht zugelassen sind.

Die Beobachtungszeitpunkte müssen den Gepflogenheiten der ärztlichen Praxis entsprechen und nicht der AWB wegen vermehrt oder vermindert werden. Die Zeitpunkte sollten aber exakt festgelegt werden.

Zusätzliche Untersuchungen, die über das übliche Maß hinausgehen, sind nur möglich, wenn der Patient nicht zusätzlich finanziell belastet wird. Zusätzliche Kosten müssten vom Auftraggeber übernommen werden (zum Beispiel zusätzliche Laboruntersuchungen).

Es dürfen für den Patienten durch die Anwendungsbeobachtung keine zusätzlichen Risiken und für die Krankenkassen keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Eine Randomisierung mit unüblicher Therapie darf nicht erfolgen.

II. Planung

Wie auch die klinische Prüfung muss die Anwendungsbeobachtung sehr sorgfältig geplant und in allen Einzelheiten festgelegt werden. Das Vorgehen bei der Anwendungsbeobachtung wird im Beobachtungsplan und Beobachtungsbogen festgelegt. Diese entsprechen dem Prüfplan und Prüfbogen in einer klinischen Prüfung.

1. Beobachtungsplan

Der Beobachtungsplan sollte – abhängig vom Ziel der AWB – die folgenden wichtigsten Punkte enthalten:

1.1. Allgemeine Angaben 1.1.1. Titel 1.1.2. Teilnehmer 1.1.3. Auftraggeber 1.1.4. Ort der Prüfung

1.2. Begründung und Ziele 1.2.1. Ziel der AWB 1.2.2. Gründe für die Durchführung 1.2.3. Hintergrundinformation

1.3. Zeitplan 1.3.1. Beschreibung 1.3.2. Begründung

1.4. Kollektiv 1.4.1. Diagnose 1.4.2. Alter, Geschlecht u. a.

1.5. Behandlung 1.5.1. Zugelassenes Arzneimittel 1.5.2. Applikation 1.5.3. Dosierungsschema 1.5.4. Dosierung 1.5.5. Behandlungszeitraum 1.5.6. Begleittherapie 1.5.7. Untersuchungstermine

1.6. Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen (soweit Ziel der AWB) 1.6.1. Beobachtungsvariable 1.6.2. Messung der Variablen 1.6.3. Messzeitpunkte 1.6.4. Spezielle Untersuchungsmethoden

1.7. Unerwünschte Ereignisse 1.7.1. Methoden zur Feststellung 1.7.2. Handlungsanweisungen bei Komplikationen 1.7.3. Meldung von Nebenwirkungen

1.8. Praktische Hinweise 1.8.1. Flow-Chart 1.8.2. Zuweisung von Pflichten und Verantwortlichkeiten 1.8.3. Anweisungen an die Mitarbeiter 1.8.4. Adressen, Telefonnummern von erreichbaren Personen 1.8.5. Vertraulichkeit der Daten

1.9. Aufzeichnungen 1.9.1. Wirkungen 1.9.2. Nebenwirkungen 1.9.3. Aufbewahrung

1.10. Auswertung der Daten 1.10.1. Beobachtungsvariable 1.10.2. Berechnung der Effekte 1.10.3. Ausgefallene Patienten 1.10.4. Qualitätskontrolle

1.11. Statistik 1.11.1. Methoden 1.11.2. Fallzahl und Power 1.11.3. Statistische Einheit 1.11.4. Signifikanzniveau

1.12. Finanzierung

1.13. Anzeige

1.14. Berichterstattung 2. Beobachtungsbögen

Die Dokumentation kann durch Eintrag auf Papier, aber in Zukunft auch wohl vermehrt in ein EDV-System erfolgen. Der Beobachtungsbogen muss hinsichtlich der Erfassung den aufgeführten Daten des Beobachtungsplans entsprechen. Die Beobachtungsbögen müssen durchgehend paginiert und durchnumeriert sein. Der Verbleib der ausgegebenen Beobachtungsbögen sollte dokumentiert sein. Der Grund für eine eventuelle vorzeitige Beendigung der Therapie sollte dokumentiert sein.

Bei den unerwünschten Ereignissen wird zum Beispiel folgende Klassifizierung vorgeschlagen:

nicht schwerwiegend, schwerwiegend, unerwartet, Dauer, Intensität, erfolgte Maßnahmen, Ausgang Kausalitätsbewertung.

3. Arztmappe

Hilfreich ist eine Arztmappe, die alle wichtigen Informationen über die Anwendungsbeobachtung enthält, wie: Fach- und Gebrauchsinformation,

Basisbroschüre, Beobachtungsplan, Beobachtungsbogen, Patienten-Identifizierungsblatt (Verbleib beim Arzt!), Bestätigung über die Meldung der AWB bei der kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesoberbehörde, Angaben zur Verfügbarkeit des Arzneimittels, Namen, Telefon-, Fax-Nummern und E-Mail-Anschrift der Ansprechpartner, Meldesystem, Maßnahmen zur Qualitätssicherung, finanzielle Vereinbarungen und weiterführende Literatur.

4. Honorarvereinbarung

Da es sich bei der Anwendungsbeobachtung um eine nicht-intervenierende Maßnahme handelt, geht die Behandlung zu Lasten der Krankenversicherung. Der Arzt wird nur für die zusätzlichen Leistungen honoriert. Die Honorarvereinbarung zwischen Arzt und Auftraggeber sollte schriftlich erfolgen. Die vom Arzt zu erbringenden Leistungen sollten beschrieben werden (zum Beispiel Dokumentation der Befunde). Entsprechende Sachleistungen können anstatt des Honorars vereinbart werden. Bezüglich des Zeitbedarfs kann von einem kalkulatorischen Stundensatz von etwa 75 Euro ausgegangen werden.

III. Durchführung

Wie bei der klinischen Prüfung hängt auch bei der Anwendungsbeobachtung die Aussagekraft wesentlich von der sorgfältigen Durchführung ab. Verschiedene Gesichtspunkte sind dabei zu beachten.

1. Gespräch mit dem Auftraggeber

Beobachtungsplan und Beobachtungsbogen sollten dem Arzt bereits vor dem Gespräch mit dem Auftraggeber übermittelt werden, damit der Arzt die Möglichkeit hat, sich über die Ziele und Anforderungen der Anwendungsbeobachtung zu informieren. Beim Gespräch sollte es dem Arzt noch möglich sein, seine Vorstellungen einzubringen. Der Arzt muss über die Anwendungsbeobachtung so gut informiert sein, dass er sie korrekt und vollständig durchführen kann.

2. Ethische Beratung

Im Gegensatz zur klinischen Prüfung ist bei der Anwendungsbeobachtung das Votum einer Ethik-Kommission nicht erforderlich. Der teilnehmende Arzt sollte jedoch auch hier bei aufkommenden Fragen eine Ethik-Kommission konsultieren. Die Notwendigkeit kann sich ergeben, wenn zum Beispiel die wissenschaftliche Zielsetzung zweifelhaft ist oder wenn weitreichende personenbezogene Daten gesammelt und weitergegeben werden, die den Datenschutz, Schutz des Patienten und die Haftung des Arztes betreffen können.

3. Patientenrekrutierung

Um eine möglichst gute Repräsentativität des Krankengutes zu erreichen, sollte die Patientenkartei systematisch nach entsprechenden Patienten durchgegangen werden. Es sollte dann versucht werden, möglichst alle geeigneten Patienten in die Anwendungsbeobachtung aufzunehmen.

4. Fachinformation

Der Arzt sollte sich vor der Teilnahme an einer Anwendungsbeobachtung anhand der Fachinformation sehr intensiv mit dem Arzneimittel beschäf­tigen.

Die Fachinformation unterrichtet ihn über

den Wirkstoff, den Verschreibungsstatus, die Zusammensetzung des Arzneimittels, die Stoff- oder Indikationsgruppe, arzneilich wirksame Bestandteile nach Art und Menge sowie sonstige Bestandteile (Hilfsstoffe), die Anwendungsgebiete, Gegenanzeigen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Warnhinweise, wichtige Inkompatibilitäten, Dosierung mit Einzel- und Tagesgaben, Art und Dauer der Anwendung, Notfallmaßnahmen, Symptome und Gegenmittel, pharmakologische und toxikologische Eigenschaften, Pharmakokinetik und Bioverfügbarkeit, sonstige Hinweise (zum Beispiel notwendige Laborkontrollen), Dauer der Haltbarkeit, besondere Lager- und Aufbewahrungshinweise, Darreichungsformen und Packungsgrößen sowie Namen und Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers.

Der Arzt sollte an einer Anwendungsbeobachtung nur teilnehmen, wenn alle Details der Fachinformation sich in Übereinstimmung mit dem Beobachtungsplan und -bo­gen befinden. Es darf nicht vorkommen, dass er in einer Anwendungsbeobachtung Arzneimittel nicht bestimmungsgemäß (nicht nach der Fachinformation) verwendet.

Der Arzt darf sich nicht an einer Anwendungsbeobachtung beteiligen, in der zum Beispiel die Indikation nicht zutrifft oder Gegenanzeigen bzw. Wechselwirkungen mit anderen Mitteln nicht beachtet werden oder die Dosierung, Art und Dauer der Anwendung nicht mit den Angaben der Fachinformation übereinstimmen.

Sollte der Arzt aus medizinischen Gründen gezwungen sein, Indikationen, Gegen­anzeigen, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Dosierungen, Art und Dauer der Anwendung nicht nach der Fachinformation einhalten zu können, dann ist dies ausführlich zu begründen.

5. Verordnungsfähigkeit

Nach § 2 des Sozialgesetzbuches (SGB) V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Dies trifft natürlich auch für die Anwendungsbeobachtung zu.

Nach § 12 SGB V müssen Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Es ist nicht Aufgabe der Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren. Entwicklung und Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten sind nicht Gegenstand von Modellversuchen.

Bei einer Anwendungsbeobachtung mit einem zugelassenen Arzneimittel und zugelassener Indikation werden die Kosten des Arzneimittels und die „normalen“ Behandlungs- und Diagnostikmaßnahmen von der zuständigen Krankenkasse übernommen. Die Kosten für weitergehende Untersuchungen und den Dokumenta­tionsaufwand müssen vom Auftraggeber der Prüfung übernommen werden.

6. Aufklärung des Patienten

An sich sollte bei der Anwendungsbeobachtung die übliche Behandlung des Patienten in der ärztlichen Praxis erfolgen und damit auch das übliche Aufklärungsgespräch über die Krankheit und die Möglichkeiten der Behandlung. Da jedoch bei der Durchführung einer Anwendungsbeobachtung Daten weitergegeben werden, sind die Patienten hierüber in einem ausführlichen Aufklärungsgespräch zu informieren und ist ihre Einwilligung zu einer üblicherweise anonymisierten Weitergabe vorher einzuholen.

7. Anzeigepflicht

Anwendungsbeobachtungen sind der kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigung sowie dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bzw. dem Paul-Ehrlich-Institut anzuzeigen. Die Anzeige sollte den Präparatenamen, die Zulassungs- oder Registernummer sowie den Beginn und das voraussichtliche Ende der Anwendungsbeobachtung enthalten.

8. Gefährdungshaftung

Die Gefährdungshaftung im Rahmen des „bestimmungsgemäßen Gebrauchs“ um­fasst die Anwendung nach Angaben des pharmazeutischen Unternehmers (ent­sprechend der Fachinformation), nach praktiziertem Gebrauch und naheliegendem Fehlgebrauch.

Jeder Einsatz von Arzneimitteln außerhalb des bestimmungsgemäßen Gebrauchs unterliegt der individuellen Arzthaftung und erfordert vom Arzt eine erhöhte Sorgfaltspflicht bei der Anwendung und Verlaufskontrolle, eine erweiterte Dokumentationspflicht und die unaufgeforderte und umfassende, für den Patienten verständ­liche Aufklärung über Nutzen und Risiken der Therapie.

9. Datenerhebung

Um die Daten von einer großen und repräsentativen Patientenzahl zu erhalten, sollte die Datenerhebung möglichst einfach erfolgen können. Auf Vollständigkeit und korrekte Eintragung ist besonderer Wert zu legen. Es empfiehlt sich, die Daten sofort nach der Erhebung einzutragen. Nach Beendigung der Datenerfassung sollten Konsistenz- und Plausibilitätsprüfungen erfolgen. Korrekturen sollten GCP-gerecht vorgenommen werden, d. h. die Änderungen müssen noch erkennbar und mit Datum, Unterschriftskürzel und Begründung versehen sein.

10. Erfassung von Nebenwirkungen

Anwendungsbeobachtungen ermöglichen die Erkennung von Nebenwirkungen, wie sie bei einer Behandlung in der ärztlichen Praxis auftreten. Die in Anwendungsbeobachtungen erfassten Nebenwirkungen können von größerer klinischer Bedeutung sein. Es können auch Aussagen über die Häufigkeit gemacht werden.

Bei den Nebenwirkungen sind folgende Klassifizierungen zu unterscheiden:

– Unerwünschte Ereignisse,

– unerwünschte Arzneimittelwirkungen.

Unter unerwünschten Ereignissen versteht man jedwede unerwünschte Begleiterscheinung, die einer in eine klinische Prüfung einbezogenen Person widerfährt, ohne Beurteilung des Zusammenhangs mit dem Arzneimittel. Dies kann in jeder beobachteten Befindlichkeitsstörung, subjektiven und objektiven Krankheitssymp­tomen einschließlich Laborwertveränderungen, interkurrenten Krankheiten oder Unfällen bestehen (3. Bekanntmachung zur Anzeige von Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln und Arzneimittelmissbrauch nach § 29 Abs. 1 Satz 2 bis 8 AMG vom 15. Mai 1996).

Bei unerwünschten Arzneimittelwirkungen geht man davon aus, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis und dem Arzneimittel besteht. Sie stellen unerwünschte Begleiterscheinungen dar, die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftreten. Bei den unerwünschten Ereignissen und Arzneimittelwirkungen werden noch folgende Unterscheidungen getroffen:

– Nicht schwerwiegend, – schwerwiegend, – unerwartet/erwartet.

Als schwerwiegend werden Ereignisse oder Arzneimittelwirkungen bezeichnet, die tödlich oder lebensbedrohend sind, zu Arbeitsunfähigkeit oder einer Behinderung führen oder eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung zur Folge haben (s. o. 3. Bekanntmachung).

Unerwartet sind Arzneimittelwirkungen, wenn sie in der Fachinformation bzw. in der Zusammenfassung der Produktmerkmale (Summary of Product Character­istics – SPC) nicht aufgeführt sind.

11. Meldepflicht der Nebenwirkungen

Auch für die Anwendungsbeobachtung gilt wie für klinische Prüfungen bzw. wie für Spontanmeldungen eine Meldepflicht für bekannt gewordene Nebenwirkungen (§ 29 Abs. 1 Satz 2–8 AMG). Nicht schwerwiegende Ereignisse und nicht schwerwiegende Arzneimittelwirkungen werden allerdings nicht unverzüglich gemeldet, sondern im Bericht dokumentiert und nach Abschluss zusammengefasst berichtet.

Schwerwiegende Arzneimittelwirkungen müssen hingegen spätestens innerhalb von 15 Tagen an die zuständige Bundesoberbehörde gemeldet werden und sollten auch an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) berichtet werden. Nach § 6 der Muster-Berufsordnung für Ärzte, deren Bestimmungen in die gültigen Berufsordnungen der Länder einfließen, ist der Arzt verpflichtet, die ihm aus seiner Verordnungstätigkeit bekannt werdenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft mitzuteilen.

Für Impfreaktionen gibt es seit dem Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes zusätzlich die gesetzliche Verpflichtung, den Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung namentlich an das zuständige Gesundheitsamt zu melden (IfSG § 6 Abs. 1 Nr. 3).

Damit der pharmazeutische Unternehmer seiner Meldepflicht nachkommen kann (Zwei-Jahres-Erfahrungsbericht bei automatisch verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß § 49 Abs. 6 AMG und Fünf-Jahres-Erfahrungsbericht beim Zulassungsverlängerungsantrag nach § 31 Abs. 2 AMG), sollten Nebenwirkungen, besonders in schwerwiegenden Fällen, auch umgehend dem Sponsor gemeldet werden.

12. Erfassung von Wirkungen

Bei der Erfassung von Daten zur Wirksamkeit muss man davon ausgehen, dass die Wirksamkeit bereits durch klinische Prüfungen nachgewiesen wurde. Bei den Anwendungsbeobachtungen kann es somit nur darum gehen, ob sich die Wirksamkeit auch unter den Bedingungen der Praxis des niedergelassenen Arztes zeigt.

Da das Patientenkollektiv in der Praxis des niedergelassenen Arztes wesentlich weni­ger homogen als in einer klinischen Prüfung ist, häufiger Patienten Arzneimittel nicht einnehmen, Interaktionen mit anderen Medikamenten eher eintreten können und Diagnosen evtl. weniger exakt gestellt werden können, dürfte sich die Wirksamkeit des Arzneimittels in einer Anwendungsbeobachtung weniger deutlich darstellen. Damit aber Vergleichsmöglichkeiten mit den Ergebnissen klinischer Prüfungen be­stehen, sollten vergleichbare Endpunkte sorgfältig definiert und erfasst werden. Unabhängig davon können aber auch spezifische Fragestellungen definiert werden.

13. Anonymisierung

Die Patientendaten dürfen aus Gründen der ärztlichen Schweigepflicht und des Datenschutzes nur anonymisiert weitergegeben werden. Die Patienten-Identifizierungsliste verbleibt beim Arzt, so dass auch nach Abschluss der Anwendungsbeobachtung die Möglichkeit bestehen bleibt, bei Rückfragen oder aus Sicherheitsgründen den Patienten zu re-identifizieren und Einblick in die Unterlagen zu erhalten. Die Daten sollten mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden.

Auch werden der Name des Patienten sowie seine sonstigen personenbezogenen Daten nicht veröffentlicht. Falls es aus medizinischen Gründen nötig wird, den Patientennamen zu identifizieren, erfolgt dies unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht. Werden Daten der Patienten gespeichert, sind zum Schutz dieser Daten Maßnahmen zu treffen, die eine Weitergabe an unbefugte Dritte nicht ermöglichen.

14. Monitoring

Das Monitoring bedarf nicht des gleichen Aufwands wie bei klinischen Prüfungen. Der persönliche Besuch des Monitors im Verlauf der AWB kann jedoch dazu verhelfen, Fragen zu stellen und Unklarheiten zu beseitigen. Qualitätsverbessernd wirkt sich aus, wenn zumindest der Monitor die Beobachtungsbögen abholt und dabei eine Vollständigkeits- und Plausibilitätskontrolle gemeinsam mit dem Arzt vorgenommen wird.

IV. Auswertung

Entscheidend für die Aussagekraft einer Anwendungsbeobachtung ist auch die Qualität der Auswertung der angefallenen Daten.

Da das Schwergewicht von Anwendungsbeobachtungen auf der Erfassung von Nebenwirkungen liegt, sollten diese aufgelistet werden. Bei der Berechnung von statistischen Kennzahlen sind Konfidenzintervalle sinnvoll, da sie ein Maß für die mögliche Streuung darstellen. Zwischenauswertungen sind jederzeit wegen des explorativen Charakters der Anwendungsbeobachtungen ohne Einschränkung der Aussagekraft möglich.

Die Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen kann mit der kumulativen Inzidenz geschätzt werden, die sich aus der Anzahl validierter und neu aufgetretener unerwünschter Ereignisse, bezogen auf die Anzahl behandelter Patienten ergibt. Die Inzidenzrate kann man aus der Anzahl validierter und neu aufgetretener unerwünschter Ereignisse in Relation zur kumulierten Personenzahl aller behandelten Personen errechnen. Durch Vergleich von kumulativen Inzidenzen oder Inzidenzraten in Subgruppen können Risikofaktoren ermittelt werden.

Zusammen mit der Wirksamkeit lässt sich durch die Erfassung der Nebenwirkungen bei den Anwendungsbeobachtungen eine Nutzen/Risiko-Bilanz erstellen, die sich jedoch wegen geringerem Nachweis der Wirksamkeit und evtl. vermehrt nachgewiesenen Nebenwirkungen ungünstiger als in klinischen Prüfungen darstellen kann.

Subgruppenanalysen, zum Beispiel differenziert nach Vorbehandlung oder Begleit­erkrankung, sind möglich und erlauben somit weitere Einblicke, welche Patientengruppe ggfs. besonders durch Nebenwirkungen betroffen ist.

Über jede Anwendungsbeobachtung sollte ein Abschlussbericht erstellt werden, der sowohl die medizinischen und statistischen Daten als auch eine Bewertung der Ergebnisse beinhaltet. Eine Publikation der durchgeführten Anwendungsbeobachtungen ist anzustreben oder dem Vorschlag zu folgen, sie gemeinsam in einem dafür vorgesehenen Publikationsorgan erscheinen zu lassen.

V. Beispiele

1. Schlechtes Beispiel einer Anwendungsbeobachtung

Hintergrund:

Es handelt sich bei der zu beobachtenden Substanz um einen ß1-kardioselektiven Beta-Rezeptorenblocker, dessen blutdrucksenkende Wirkung hinreichend nachgewiesen wurde. Durch die ß1-Kardioselektivität werden in erster Linie die ß1-Rezeptoren blockiert, so dass weniger Nebenwirkungen durch Blockade der ß2-Rezeptoren auftreten könnten.

Zielsetzung:

In dieser Anwendungsbeobachtung soll bei der Behandlung der Hypertonie mit einem ß1-kardioselektiven Beta-Rezeptorenblocker das Auftreten von Nebenwirkungen untersucht werden.

Patienten:

Patienten, die mit ß1-kardioselektiven Beta-Rezeptorenblockern behandelt werden, sollen in die Anwendungsbeobachtung einbezogen werden.

Untersuchungszeitraum:

Beginn: 1. Juli 2001 Letzter Einschlusstermin: 21. Oktober 2001

Ärzte:

Die Anwendungsbeobachtung wird in den Praxen niedergelassener Ärzte durch­geführt.

Durchführung:

Nebenwirkungen werden im Beobachtungsbogen dokumentiert.

Auswertung:

Sämtliche eingegangenen Ergebnisse der Beobachtungsbögen gehen in die Analyse ein.

Publikation:

Die Ergebnisse werden publiziert.

Bewertung des Beispiels der Anwendungsbeobachtung

– Indikation: Es sollten nur Patienten mit zum Beispiel einer essentiellen Hypertonie untersucht werden, da bei sekundärer Hypertonie sich die medikamentöse Behandlung anders auch hinsichtlich Nebenwirkungen auswirken kann.

– Repräsentativität: Um eine ausreichende Repräsentativität zu erhalten, sollten möglichst alle Pa­tienten, die mit einem ß1-kardioselektiven Beta-Rezeptorenblocker behandelt werden, in die Anwendungsbeobachtung einbezogen werden.

– Einschlusskriterien: Bei den Einschlusskriterien sind Patienten zu definieren, bei denen eine Indika­tion zur Behandlung der Hypertonie besteht.

– Ausschlusskriterien: Ausschlusskriterien (Nicht-Einschlusskriterien) sollten im Einzelnen aufgeführt werden, da nur bei Patienten ohne Gegenanzeigen und Anwendungsbeschränkungen die bei dem Krankheitsbild auftretenden Nebenwirkungen aussage­kräftig sind.

– Dauer der Beobachtung: Sie sollte angegeben sein und ausreichend, um damit auch evtl. jahreszeitliche Schwankungen zu erfassen.

– Ärzte: Die Fachrichtung der niedergelassenen Ärzte sollte angegeben werden, damit eine einheitliche Erfassung der Nebenwirkungen möglich wird.

– Untersuchungsmethoden: Die Erfassung der Nebenwirkungen sollte beschrieben werden, da sich deut­liche Unterschiede in der Art und Häufigkeit von Nebenwirkungen ergeben, wenn sie spontan angegeben oder systematisch abgefragt werden.

– Dosierung und Dosierungsschema: Dosierung und Dosierungsschema sind exakt anzugeben, da nur bei bestimmungsgemäßem Gebrauch die wahre Art und Häufigkeit von Nebenwirkungen erfasst werden kann.

– Durchführung: Bei der Durchführung der Anwendungsbeobachtung sollte vermerkt werden, dass nur die beim Arztbesuch üblichen Untersuchungen durchgeführt werden, die teilnehmenden Ärzte vom zuständigen Mitarbeiter des Sponsors, der auch die ausgefüllten Beobachtungsbögen einsammelt, über die Modalitäten informiert werden, außerdem, dass schwerwiegende Nebenwirkungen (lebensbedrohlich, tödlich, Arbeitsunfähigkeit, Behinderung, stationäre Behandlung, Ver­längerung eines stationären Aufenthaltes) umgehend innerhalb von 24 Stunden an den Sponsor gemeldet werden.

– Auswertung: Bei der Auswertung sollte vermerkt sein, dass die Daten mit der deskriptiven Analyse ausgewertet werden, genau angegeben wird, wie die Daten ausgewertet werden (Punktschätzer, Streuparameter, Variationsbreite, Konfidenzintervalle) und auch eine Auswertung der Subgruppen erfolgt.

– Publikation: Jeder Teilnehmer wird über die erhobenen Ergebnisse informiert. Die Ergebnisse sollten nur in gegenseitigem Einverständnis publiziert werden, wobei dem Sponsor Gelegenheit geboten wird, diese vorher zu kommentieren. Eine Ablehnung der Publikation darf nicht möglich sein.

2. Gutes Beispiel einer Anwendungsbeobachtung

Hintergrund:

Es handelt sich bei der zu beobachtenden Substanz um einen ß1-kardioselektiven Beta-Rezeptorenblocker, dessen blutdrucksenkende Wirkung hinreichend nachgewiesen wurde. Durch die ß1-Kardioselektivität werden in erster Linie die ß1-Rezeptoren blockiert, so dass weniger Nebenwirkungen durch Blockade der ß2-Rezeptoren auftreten könnten.

Zielsetzung:

In dieser Anwendungsbeobachtung soll bei der Behandlung der essentiellen Hypertonie mit einem ß1-kardioselektiven Beta-Rezeptorenblocker das Auftreten von Nebenwirkungen untersucht werden.

Patienten:

Möglichst alle Patienten, die wegen einer essentiellen Hypertonie mit ß1-kardioselektiven Beta-Rezeptorenblockern behandelt werden, sollen in die Anwendungsbeobachtung einbezogen werden. Bei den Patienten muss eine Indikation zur Behandlung von Patienten mit essentieller Hypertonie bestehen.

Patienten mit einer Herzinsuffizienz NYHA III und IV, AV-Block II. und III. Grades, SA-Block, Sinusknotensyndrom, kardiogenem Schock, Bradykardie – 50 Schlägen/Minute, ausgeprägter Hypotonie, obstruktiven Bronchialerkrankungen, Asthma bronchiale, Spätstadien peripherer Durchblutungsstörungen, metabolischer Azidose und i.v.-Applikation von Verapamil und Diltiazem dürfen sich nicht in der Anwendungsbeobachtung finden.

Patienten mit Diabetes mellitus und stark schwankenden Blutzuckerwerten, strengem Fasten, schweren Überempfindlichkeitsreaktionen in der Anamnese, bei Desensibilisierungstherapie, mit Phäochromozytom ohne Behandlung mit Alpha-Rezep­torenblockern und Psoriasis in der Eigen- oder Fremdanamnese sollten in die An­wendungsbeobachtung nicht aufgenommen werden, ebensowenig Schwangere und Stillende.

Untersuchungszeitraum:

Beginn: 1. Juli 2001 Letzter Einschlusstermin: 31. Oktober 2001

Dauer der Beobachtung:

Die Dauer von einem ganzen Kalenderjahr wurde gewählt, um evtl. jahreszeitliche Schwankungen zu erfassen.

Ärzte:

Die Anwendungsbeobachtung wird in den Praxen von 100 niedergelassenen Allgemeinärzten, Internisten und Kardiologen durchgeführt.

Untersuchungsmethoden:

Die Erhebung von Nebenwirkungen erfolgt durch allgemeine Fragen wie: „Hat sich im Befinden seit dem letzten Besuch etwas geändert?“

Dosierung und Dosierungsschema:

Die Dosierung und das Dosierungsschema wird nach den Angaben der Fach- und Gebrauchsinformation durchgeführt.

Durchführung:

Entsprechend den gesetzlichen Regularien beschränkt sich eine Anwendungsbeobachtung auf die Dokumentation von Risiken und Wirksamkeit, d. h. bei dieser An­wendungsbeobachtung auf die Erfassung der Nebenwirkungen. Durchgeführt werden die beim Arztbesuch üblichen Untersuchungen. Die teilnehmenden Ärzte der Anwendungsbeobachtung werden vom zuständigen Mitarbeiter des Sponsors, der auch die ausgefüllten Beobachtungsbögen einsammelt, über die Modalitäten informiert. Schwerwiegende Nebenwirkungen (lebensbedrohlich, tödlich, Arbeitsunfähigkeit, Behinderung, stationäre Behandlung, Verlängerung eines stationären Aufenthalts) werden innerhalb von 24 Stunden umgehend an den Sponsor ge­meldet.

Auswertung:

Sämtliche eingegangene Ergebnisse der Beobachtungsbögen gehen in die Analyse ein. Es erfolgt eine deskriptive statistische Analyse (Punktschätzer, Streuparameter, Variationsparameter, Konfidenzintervalle) sowie die Auswertung von Subgruppen.

Publikation:

Jeder Teilnehmer wird über die erhobenen Ergebnisse informiert. Eine Publikation der Ergebnisse erfolgt nur im gegenseitigen Einverständnis, wobei der Sponsor vorher Gelegenheit hat, die Veröffentlichung zu kommentieren. Eine Ablehnung der Publikation ist nicht möglich.

VI. Besonderheiten der Anwendungsbeobachtung bei Kindern und Jugendlichen

Nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) § 40, Absatz 4 Nr. 1 bis 4 darf die klinische Prüfung eines Arzneimittels bei Minderjährigen nur durchgeführt werden, wenn und solange sie folgendermaßen angewendet wird:

1. Das Arzneimittel muss zum Erkennen oder zum Verhüten von Krankheiten bei Minderjährigen bestimmt sein.

2. Die Anwendung des Arzneimittels muss nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt sein, um bei dem Minderjährigen Krankheiten zu erkennen oder ihn vor Krankheiten zu schützen.

3. Die klinische Prüfung an Erwachsenen darf nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft keine ausreichenden Prüfergebnisse erwarten lassen.

4. Die Einwilligung wird durch den gesetzlichen Vertreter abgegeben. Sie ist nur wirksam, wenn dieser durch einen Arzt über Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung aufgeklärt worden ist. Ist der Minderjährige in der Lage, Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung einzusehen und seinen Willen hiernach zu bestimmen, so ist auch seine schriftliche Einwilligung erforderlich.

Damit sieht das Arzneimittelgesetz klinische Prüfungen zum Wirksamkeitsnachweis und zum Ausschluss unvertretbarer Arzneimittelrisiken grundsätzlich nur bei Erwachsenen vor und schließt gesunde Minderjährige mit Ausnahme der Prüfung von Diagnostika und Vorbeugungsmittel, die nur bei Minderjährigen geprüft werden können, aus.

Klinische Prüfungen zum Beispiel zur Ermittlung einer exakten Dosierung sind damit nur dann möglich, wenn die klinische Prüfung an Erwachsenen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft keine ausreichenden Prüfungsergebnisse erwarten lässt, und es ist nur die Anwendung des Arzneimittels in einer nach dem Wissensstand der Pädiatrie gewählten Dosierung als Heilversuch und unter den besonderen Voraussetzungen des § 41 AMG (Lebensrettung, Wiederherstellung der Gesundheit, Erleichterung des Leidens) möglich, wobei die Geschäftsfähigkeit zu berücksichtigen ist.

Die Nachteile, die aus den besonderen Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugend­liche resultieren, sind, dass häufig Arzneimittel in der Kinderheilkunde eingesetzt werden, die für diesen Indikationsbereich nicht zugelassen, jedoch für die Rettung des Lebens, Wiederherstellung der Gesundheit und Erleichterung des Leidens ge­boten sind (§ 41 Absatz 1).

Anwendungsbeobachtungen könnten einen Kompromiss zwischen dem Schutz der Minderjährigen vor unvorhersehbaren Arzneimittelrisiken und der Verbesserung der Arzneimittelwirksamkeit und -sicherheit darstellen, wenn die unumgängliche und bewährte Therapie bei Minderjährigen exakt in einer Anwendungsbeobachtung dokumentiert und ausgewertet wird.

Die Anwendungsbeobachtung könnte bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Pharmakotherapie leisten.

Dazu wäre allerdings eine sorgfältige Planung, Durchführung und Aufklärung bei der AWB und auch die Schulung der Ärzte notwendig, wie es dieser Beitrag anstrebt.

VII. Zusammenfassende Darstellung der AWB-Empfehlungen

1. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ): Forderungen an die Anwendungsbeobachtung

2. Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI): Merkblatt für Anwendungsbeobachtungen

3. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Empfehlungen zur Planung und Durchführung von Anwendungsbeobachtungen

1. AkdÄ-Forderung an die Anwendungsbeobachtung

Insbesondere sollten folgende Punkte notwendige Voraussetzung sein:

1. Der in die Studie einbezogene Arzt sollte eingehend über das wissenschaftliche Ziel der Anwendungsbeobachtung informiert werden.

2. Es sollte eine eingehende Erläuterung des Beobachtungsplans und des Dokumentationsbogens erfolgen.

3. Es sollten eingehende Informationen über das Arzneimittel (einschließlich der Fachinformation), über die arzneimittelrechtliche Zulassung, über evtl. beste- hende leistungsrechtliche Ausschlüsse oder Einschränkungen in der Verordnungsfähigkeit zur Verfügung gestellt und publiziert werden.

4. Ein intensives Aufklärungsgespräch des Arztes mit seinen Patienten muss er­folgen.

5. Für jede Anwendungsbeobachtung muss ein detaillierter Abschlussbericht er­stellt werden.

6. Die Ergebnisse sollten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der zu­ständigen Bundesoberbehörde vorgelegt werden. Die der Publikation und der Datenermittlung zugrunde liegenden Unterlagen sollten zehn Jahre aufbewahrt werden.

7. Der Beobachtungsplan muss mit Nummer und Datum versehen sein, Frage­stellung und Verfahrensweise enthalten und die verantwortlichen Personen benennen. Weiterhin müssen das Zielkollektiv, die Zielkriterien, die Dauer der Untersuchung und der Untersuchungszeiträume sowie die Kriterien für un­erwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), einschließlich Verdachtsfälle, de­finiert sein. Eine biometrische Auswertung muss von vornherein festgelegt werden.

8. Die Dokumentationsbögen müssen paginiert und fortlaufend numeriert sein. Die Patientendaten werden anonymisiert (mit der Möglichkeit der Re-Identifikation). Die Behandlung, die Untersuchungsmethoden, die Dosis und Applikation von Arzneimitteln, ggf. der vorzeitige Therapieabbruch sowie der Behandlungserfolg (einschließlich eventueller Nebenwirkungen) müssen beschrieben werden.

9. Wie bei einer klinischen Studie muss dem teilnehmenden Arzt auch bei der Anwendungsbeobachtung die Möglichkeit gegeben werden, seine Ethik-Kommission zu befragen, da diese ihm bei allen Fragen, die er im Rahmen der Anwendungsbeobachtungen hat, als Ratgeber zur Seite stehen kann. Dies muss ihm auch schon deshalb gestattet werden, weil bei Anwendungsbeobachtungen weitreichende, personenbezogene Daten gesammelt und anonymisiert weitergegeben werden und häufig die wissenschaftlichen Zielsetzungen nicht deutlich zum Ausdruck kommen.

10. Wie bereits erwähnt, haben Anwendungsbeobachtungen ihren besonderen Wert, um weitere Erkenntnisse, insbesondere im Bereich der Arzneimittel­sicherheit, zu gewinnen.

Nach § 6 der auf dem 105. Deutschen Ärztetag in Rostock verabschiedeten neuen Fassung der (Muster-)Berufsordnung für Ärzte ist der Arzt verpflichtet, ihm aus seiner Verordnungstätigkeit bekanntwerdende UAW der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft mitzuteilen. Die AkdÄ ist der Auffassung, dass die bei Anwendungsbeobachtungen auftretenden Nebenwirkungen in jedem Falle der AkdÄ ebenfalls zur Kenntnis gegeben werden sollten, da es sich – wie oben beschrieben – bei einer Anwendungsbeobachtung um den routinemäßigen Einsatz eines Arzneimittels handelt, auf den sich § 6 der Muster-Berufsordnung bezieht.

2. BPI-Merkblatt für Anwendungsbeobachtungen

Anwendungsbeobachtungen sind ein wichtiges Instrument für die vom Arznei­mittelgesetz vorgeschriebenen Berichte über das Arzneimittel nach der Zulassung. Sie sind für die pharmazeutischen Unternehmen unerlässlich, da sie wichtige In­formationen zur Nutzen/Risiko-Bewertung des Arzneimittels liefern. Nach § 67 Abs. 6 AMG sind Anwendungsbeobachtungen „Untersuchungen, die dazu bestimmt sind, Erkenntnisse bei der Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel zu sammeln“. Diese Bestimmung ist der einzige Hinweis im Arzneimittelgesetz auf Anwendungsbeobachtungen. Im übrigen sind Grenzen und Voraussetzungen einer Anwendungsbeobachtung im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt.

Die Arzneimittelprüfrichtlinien nach § 26 AMG geben im 5. Abschnitt die Möglichkeit, auch Anwendungsbeobachtungen als wissenschaftliches Erkenntnismate­rial zur Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit bekannter Stoffe heranziehen zu können.

Da die Grenzen zur klinischen Prüfung der Phase IV häufig fließend sind, haben Ausschüsse des BPI ein „Merkblatt für Anwendungsbeobachtungen“ erarbeitet, das 1991 erstmals (Pharm. Ind. 53, Nr. 6, 529; 1991) veröffentlicht wurde und in aktu­alisierter Fassung (Pharm. Ind. 59, Nr. 1, I/22; 1997) abgedruckt wurde.

Es soll den pharmazeutischen Unternehmen eine Hilfestellung bei der Planung und Durchführung von Anwendungsbeobachtungen geben:

1. Nach § 67 Abs. 6 AMG sind Anwendungsbeobachtungen „Untersuchungen, die dazu bestimmt sind, Erkenntnisse bei der Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel zu sammeln“. Bei Arzneimitteln, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bereits bekannt sind, kann an Stelle klinischer und pharmakologisch-toxikologischer Prüfungen anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden (§ 22 Abs. 3 AMG). Die Arzneimittelprüfrichtlinien nach § 26 AMG vom 5. Mai 1995 (BAnz. vom 20. Mai 1995) geben in diesem Zusammenhang im 5. Abschnitt die Möglichkeit, auch Anwendungsbeobachtungen als wissenschaftliches Erkenntnismaterial zur Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit bekannter Stoffe heranziehen zu können. Der erste Ab­schnitt der Arzneimittelprüfrichtlinien fordert außerdem, dass „Art und Umfang der Prüfungen, die als Voraussetzungen für die Zulassung von den Zulassungsbehörden verlangt werden, auf das unerlässliche Maß zu beschränken (sind)“.

2. Bei Anwendungsbeobachtungen werden ausschließlich Daten gesammelt, die bei der therapeutisch notwendigen Anwendung des Arzneimittels in der routinemäßigen ärztlichen Diagnose und Versorgung von Patienten anfallen. Anwendungsbeobachtungen sind der Kassenärztlichen sowie der Kassenzahn­ärztlichen Bundesvereinigung, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bzw. dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) anzuzeigen. Die Anzeige sollte den Präparatenamen, ggf. die Zulassungs- oder Registernummer und bei Anzeigen von in der Nachzulassung befindlichen Arzneimitteln an das BfArM, die BGA-Eingangsnummer sowie Beginn und voraussichtliches Ende der Anwendungsbeobachtung enthalten.

3. Die Anwendungsbeobachtung ist keine klinische Prüfung, auch keine der Phase IV, da der Einsatz des beobachteten Arzneimittels nicht durch einen Prüfplan bestimmt oder mitbestimmt wird, sondern allein Folge der Behandlungsentscheidung des Arztes ist. Die §§ 40 und 41 AMG finden keine Anwendung, ebensowenig wie § 1 Abs. 4 der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer (Beratung durch Ethik-Kommission).

4. Alle Behandlungskosten einschließlich der Kosten für die aus ärztlicher Sicht für einen einzelnen Patienten notwendige Diagnostik unter Beachtung der arzt- und vertragsarztrechtlichen Vorschriften, insbesondere des Wirtschaftlichkeitsge­botes, werden von den Krankenkassen getragen. Die durch die Dokumentation der Befunde für die Anwendungsbeobachtung verursachten Mehrkosten hat der Auftraggeber der Anwendungsbeobachtung zu tragen. Bei der Vereinbarung eines Honorars für die Dokumentation der Befunde sind die Voraussetzungen des § 17 BPI-Kodex einzuhalten (§ 17 Honorare).

5. Eine Aufklärung und Einwilligung der Patienten über den bei jeder ärztlichen Behandlung erforderlichen Umfang hinaus ist nicht notwendig, da der Patient nach der Behandlungsentscheidung seines Arztes die für ihn nötige und erforderliche Behandlung erhält. Außerdem werden ausschließlich anonymisierte Daten zur Auswertung weitergegeben.

6. Die Anwendungsbeobachtung wird nur mit zugelassenen, fiktiv zugelassenen oder registrierten Arzneimitteln durchgeführt. Es dürfen keine Arzneimittel mit der Kennzeichnung „Zur klinischen Prüfung bestimmt“ verwendet werden. Arzneimittelmuster dürfen nur in den engen Grenzen des § 47 Abs. 3 und 4 AMG eingesetzt werden.

7. Kriterien der Anwendungsbeobachtungen sind:

– Prospektiv, d. h. keine retrospektive Auswertung von Patientendaten,

– nicht intervenierend, d. h. keine Behandlungsvorgabe für den Arzt, aber Vorgaben für Art und Umfang der Dokumentation und der Kontrolle,

– strukturiert, d. h. keine unsystematische Einzelfallbeobachtung.

8. Ein Beobachtungsplan ist zu empfehlen und kann folgende Kriterien enthalten:

– Zielsetzung (z. B. Vertiefung der Erkenntnisse über Unbedenklichkeit und/oder Wirksamkeit im zugelassenen Indikationsgebiet),

– Definition der zu beobachtenden Patientengruppe bzw. Teilgruppen von Patienten,

– Definition der zu dokumentierenden Beobachtungen,

– Beobachtungsdauer pro Patient,

– vorgesehene Gesamtdauer der Anwendungsbeobachtung.

9. Die Verwendung eines Erfassungsbogens je Patient ist zu empfehlen. Die Überprüfung der Erfassungsbögen auf Plausibilität sollte erfolgen.

10. Aus haftungsrechtlichen Gründen ist der pharmazeutische Unternehmer zur Produktbeobachtung verpflichtet. Nur bei Dokumentation und Auswertung führen Anwendungsbeobachtungen zu wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn, der wiederum Grundlage der Zwei- bzw. Fünfjahreserfahrungsberichte (§§ 49 Abs. 6, 31 Abs. 2 AMG) ist.

11. Die in den Anwendungsbeobachtungen bekanntgewordenen Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Mitteln sind entsprechend den Voraussetzungen des § 29 AMG der zuständigen Bundesoberbehörde (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bzw. Paul-Ehrlich-Institut) zu melden.

3. Empfehlungen zur Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen

(BfArM) vom 14. August 1998 (12. November 1998)

Präambel

In der Folge der 1986 vorgenommenen Anfügung von Abs. 6 an § 67 Arzneimittelgesetz (AMG)1) wurden Untersuchungen verschiedenster Zielsetzung mit dem Begriff „Anwendungsbeobachtung“ belegt. Explizit verwendet wurde der Begriff in behördlichen Regelungen zum ersten Mal 1989 im Abschnitt 5.1 der Arzneimittelprüfrichtlinien bei der Aufzählung der Formen möglichen wissenschaftlichen Erkenntnismaterials bei der behördlichen Beurteilung der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln mit bekanntem Wirkstoff.

Anwendungsbeobachtungen (AWB) sind aus dem Regelungsbereich der Richtlinien zur Guten Klinischen Praxis (Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. September 1997, KOM (97) 369) ausdrücklich aus­genommen. Es ist somit eine einheitliche Definition der AWB und der mit diesem Instrument erreichbaren Erkenntnisziele nötig.

Die folgenden Ausführungen haben das Ziel, unter Berücksichtigung nationaler und internationaler Vorlagen den Begriff „Anwendungsbeobachtung“ zu präzisieren, sowie Empfehlungen für die Planung, Durchführung und Auswertung derartiger Untersuchungen zu geben.

1) § 67 Abs. 6 AMG: „Der pharmazeutische Unternehmer hat Untersuchungen, die dazu bestimmt sind, Erkenntnisse bei der Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel zu sammeln, den kassenärztlichen Vereinigungen sowie der zuständigen Bundesoberbehörde unverzüglich anzuzeigen.“

1. Begriffsbestimmung

Anwendungsbeobachtungen (AWB) sind Beobachtungsstudien, die dazu bestimmt sind, Erkenntnisse bei der Anwendung verkehrsfähiger Arzneimittel zu sammeln. Ihr besonderes Charakteristikum ist die weitestgehende Nichtbeeinflussung des behandelnden Arztes2) in bezug auf Indikationsstellung sowie Wahl und Durchführung der Therapie im Einzelfall. Ziel ist die Beobachtung von Behandlungsmaßnahmen in der routinemäßigen Anwendung durch Arzt und Patient (im Rahmen dieser Empfehlungen sind hierunter auch gesunde Personen zu verstehen, etwa bei AWB von Impfungen). Eine AWB kann ohne Vergleichsgruppe, zum Beispiel arzneimittelorientiert, oder mit zwei oder mehr zu vergleichenden Gruppen, zum Beispiel indikationsorientiert, angelegt sein. Sie wird mit Handelsware durchgeführt.

Eine AWB ist keine klinische Prüfung gemäß §§ 40, 41 AMG. Soweit Indikationsvorgaben gemacht werden, müssen diese der zugelassenen Indikation entsprechen.

2) Bei Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, sind Anwendungsbeobachtungen auch bei anderen Heilberufen möglich.

2. Generelle Anforderungen an AWB

AWB erfordern eine Planung, Durchführung, Aus- und Bewertung nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis der beteiligten Disziplinen. Sie müssen eine medizinisch-wissenschaftliche Zielsetzung (Abschnitt 4) verfolgen, die als präzise Fragestellung vorab formuliert sein muss. Das gewählte Design (Basis eines Vergleichs, zeitlicher Umfang und Untersuchungsumfang beim einzelnen Patienten, Patientenzahl) und die geplanten Methoden (Datenerhebung und Auswertung) müssen zur Beantwortung dieser Frage geeignet sein.

Eine AWB ist prospektiv, ggf. mit zurückverlegtem Anfangspunkt, durchzuführen und orientiert sich in Anlage und Durchführung an einer Kohortenstudie. Sie kann auch auf geeigneten pharmakoepidemiologischen Datenbeständen basieren.

3. Methodische Einordnung von AWB

AWB sind eines von mehreren methodischen Instrumenten, um Erkenntnisse zu auf dem Markt verfügbaren Arzneimitteln zu gewinnen. Andere Instrumente der Therapieforschung nach der Zulassung (Phase IV) sind Klinische Prüfungen der Phase IV sowie Fall-Kontroll-Studien, Querschnittstudien, Korrelationsstudien mit aggregierten Daten, Auswertungen von Registern und Spontan-Meldesysteme. Die Wahl des geeigneten Instruments wird durch das Erkenntnisziel bestimmt. Für eine bestimmte Fragestellung ist deshalb zu begründen, dass das gewählte Instrument methodisch adäquat, aussagekräftig und effizient (Patientenzahl) zur Beantwortung der Frage ist.

4. Ziele von AWB

Mögliche Ziele von AWB sind:

a) Das Gewinnen von Erkenntnissen zur und aus der Arzneimittel-Utilisation (Verordnungsverhalten und Verschreibungsgewohnheiten, Beachtung der Fach- und Gebrauchsinformationen, Akzeptanz und Compliance, Praktikabilität, Beachtung von Zulassungsauflagen etc.), das Gewinnen von Erkenntnissen über direkte, indirekte und intangible Kosten, die mit der routinemäßigen Anwendung einer Therapie entstehen bzw. in Zusammenhang stehen.

b) Das Vertiefen von Erkenntnissen zu bekannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) unter routinemäßiger Anwendung (zum Beispiel Überprüfung der zu erwartenden UAW, Häufigkeitsabschätzungen, Wechselwirkungen), das Gewinnen von Erkenntnissen zu bisher unbekannten, insbesondere seltenen UAW sowie zu Wechselwirkungen.

c) Das Erweitern von Erkenntnissen zur Wirksamkeit (zum Beispiel unter Bedingungen der routinemäßigen Anwendung in Gruppen, die in klinische Prüfungen nicht eingeschlossen wurden, in Subgruppen, zur Charakterisierung von Non-Respondern etc.). Ein Nachweis der Wirksamkeit allein durch AWB ist bis auf besonders begründete Ausnahmefälle nicht möglich.3)

3) Soweit bei bekannten Arzneimitteln umfangreiches und nachvollziehbar dokumentiertes, plausibles Erfahrungswissen vorliegt, kann eine sorgfältig geplante AWB allerdings die Akzeptanz von Indikationsaussagen ermöglichen. Über die Möglichkeit der Verwendung von Ergebnissen aus AWB in den Sonderfällen, in denen die Durchführung klinischer Prüfungen nicht möglich ist, muss im jeweiligen Einzelfall entschieden werden.

5. Nichtintervention

Die Nichtintervention im Rahmen von AWB bezieht sich darauf, dass dem behandelnden Arzt keinestudienspezifischen Vorgaben dazu gemacht werden,

a) ob überhaupt oder mit welchem Arzneimittel zu therapieren ist,

b) wie die Modalitäten der Behandlung sind (Dosis, Applikationsart),

c) unter welchen Umständen die Therapie abgesetzt bzw. geändert wird.

Ein Arzneimittel darf nicht zu dem Zweck verschrieben werden, einen Patienten in eine AWB einzuschließen. Verordnung eines Arzneimittels und Einschluss des Patienten in eine AWB sind zwei Aspekte, die getrennt gesehen werden müssen. Diese Trennung ist zum Beispiel dann realisiert, wenn der Patient erst für die Studie identifiziert wurde, nachdem die Entscheidung über die Therapie getroffen worden ist.

Das für einen Erkenntnisgewinn notwendige systematische Beobachten erfordert jedoch zusätzliche Vorgaben zur Erhebung von Daten sowie zu Art und Umfang der Dokumentation und deren Kontrolle; hier sind also in Abhängigkeit vom Erkenntnisziel Vorgaben bei dem behandelnden Arzt unumgänglich, um eine ausreichende Beobachtungsgleichheit und eine ausreichend hohe Qualität bez. Güte und Vollständigkeit der erhobenen Daten zu erreichen.

6. Unterschiedliche AWB-Formen

Unterschiedliche Ziele (4a–4c) erfordern unterschiedliche Designs und Formen von AWB. Grundsätzlich sind hier Fallserien, einarmige und mehrarmige Kohortenstudien zu unterscheiden. Für 4c, teilweise auch für 4b, haben vergleichende AWB i.S. mehrarmiger Kohortenstudien gegenüber AWB mit nur einer Behandlung die größere Aussagekraft.

Je nach Fragestellung werden die Vorgaben für die Beobachtung unterschiedlich sein. Für die unter 4a formulierten Ziele ist ein weitestgehender Verzicht auf solche Vorgaben anzustreben; hier sollte auch an die Erhebung von Daten über bereits in der Vergangenheit erfolgte oder begonnene Behandlungen gedacht werden. Für die unter 4b und 4c formulierten Ziele sind Maßnahmen zur standardisierten Erhebung der Zielgrößen nötig; dabei sollten Empfehlungen für die Durchführung diagnostischer Maßnahmen gegeben oder auf publizierte Empfehlungen (zum Beispiel Leit­linien) hingewiesen werden.

7. Studienplan

Vor Beginn einer AWB ist ein Studienplan zu erstellen, der dem aktuellen Stand der medizinischen und biometrischen Wissenschaft entspricht. Seine wesentlichen Bestandteile sind der Beobachtungs- sowie der Auswertungsplan. Der Beobachtungsplan sollte sich am routinemäßigen Vorgehen ausrichten. Er soll eine strukturierte, systematische Beobachtung ermöglichen. Bei Zielsetzungen nach 4b und 4c soll er das Ziel der Beobachtungsgleichheit unterstützen.

Der Studienplan soll mindestens folgende Angaben enthalten:

– Formulierung einer (oder mehrerer) präzisen(r) Fragestellung(en) sowie eine Begründung, dass die AWB für ihre Beantwortung das geeignete Instrument ist;

– Beschreibung des Patientenzugangs und ggf. des Vorgehens zur Auswahl der beteiligten Ärzte (Zentren);

– Definition der einzubeziehenden Patienten sowie gegebenenfalls Beschreibung des Vorgehens für den Patienteneinschluss und -ausschluss;

– Beschreibung der Maßnahmen zum Erreichen von Repräsentativität (für Ärzte und Patienten);

– Festlegung der zu erhebenden Merkmale, eine Beschreibung ihrer Relevanz sowie ihrer Stellung für die Beantwortung der Fragestellung (Zielgröße, Einfluss­größe, Störgröße);

– Diskussion möglicher Störgrößen und Beschreibung von Maßnahmen zu ihrer Kontrolle;

– Zeitraster der Beobachtung;

– Dauer der Studie und Abbruchkriterien;

– Beschreibung der für die Beobachtung benötigten Erhebungsinstrumente (zum Beispiel Dokumentationsbogen);

– Begründung der Zahl einzubeziehender Patienten;

– Beschreibung von Art und Umfang der Dokumentation;

– Regelung der Berichtswege zu UAW unter Berücksichtigung der jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen;

– Beschreibung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung;

– Beschreibung der statistischen Auswertung;

– Regelung der Verantwortlichkeiten (Leiter der Beobachtungsstudie, verantwortlicher Biometriker, Sponsor etc.);

– Regelung für Berichterstellung einschließlich biometrischer und medizinischer Bewertung.

8. Qualitätssicherung

Die für epidemiologische Studien üblichen Qualitätsanforderungen gelten auch für AWB. Ziel der Qualitätssicherung ist es, mögliche Verzerrungen durch ein entsprechendes Studiendesign und/oder eine adäquate Datenanalyse zu minimieren, Vollständigkeit und Validität der Daten zu sichern sowie Mängel frühzeitig zu erkennen und zu beseitigen.

9. Repräsentativität

Da AWB in Ergänzung zu klinischen Prüfungen Ergebnisse bei der routinemäßigen Anwendung von Arzneimitteln liefern sollen, muss durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge getragen werden, dass die in eine AWB einbezogenen Patienten und Ärzte sowie das therapeutische Vorgehen ein möglichst repräsentatives Abbild der medizinischen Praxis geben.

10. Statistische Auswertung

Die Auswertung der Daten einer AWB erfolgt mit problemadäquaten biometrischen Methoden. Das geplante Vorgehen ist im Studienplan vorab festzulegen; Abweichungen von diesem Vorgehen bei der Auswertung sind zu begründen.

11. Patientenaufklärung und -einwilligung

Bezüglich der Therapieentscheidung ist eine über die übliche ärztliche Aufklärungspflicht hinausgehende Information des Patienten nicht notwendig. Gleiches gilt für die Dokumentation, soweit die Daten im Sinne des Datenschutzgesetzes gehandhabt werden. Jedoch kann bez. des Umgangs mit Patientendaten (zum Beispiel Maßnahmen zur Qualitätssicherung) sowie bez. zusätzlicher Vorgaben in der Beobachtung ergänzender Aufklärungsbedarf bestehen. Das Einholen der Einwilligung des Patienten ist dann erforderlich.

12. Interessenkonflikte, Ethik

AWB bergen eine Reihe möglicher Interessenkonflikte im Spannungsfeld zwischen Datenschutz, Schutz des Patienten, Schutz und Haftung des Arztes, Interesse des Sponsors. Die Beratung durch eine Ethikkommission ist im Falle solcher Interessenkonflikte hilfreich. (Im übrigen wird auf einschlägige Verordnungen (Berufsordnungen) und Gesetze sowie insbesondere auf in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Regelungen im Arztrecht verwiesen.)

13. Anzeigepflichten

Gemäß § 67 Abs. 6 AMG besteht für Anwendungsbeobachtungen eine unverzüg­liche Anzeigepflicht. Die gemäß § 29 Abs. 1 AMG bestehenden Anzeigepflichten gelten uneingeschränkt auch bei der Durchführung von AWB.

14. Bericht, Veröffentlichung, Archivierung

Über die Durchführung und Ergebnisse einer AWB ist innerhalb angemessener Frist ein Abschlussbericht zu erstellen, der eine biometrische Auswertung und eine Bewertung aus medizinischer Sicht enthält. (Die Ergebnisse der AWB sollen nach wissenschaftlichen Kriterien publiziert werden.)

Es wird empfohlen, alle Unterlagen einer AWB für spätere Zugriffe und Auswertungen mindestens zehn Jahre zu archivieren.

15. Erstattung und Honorierung

Die Beteiligung an einer AWB ist eine ärztliche Tätigkeit. Ein über die Regelversorgung hinaus durch die AWB entstehender Aufwand ist in Anlehnung an die ärztliche Gebührenordnung zu honorieren. Die Honorierung soll sich am Zeitaufwand für zusätzlich erforderliche Dokumentations- und andere Maßnahmen orientieren. Die Erstattung von über die Routine hinausgehenden Leistungen ist gesondert zu klären. Erstattungsfragen dürfen die wissenschaftliche Zielsetzung und die Auswahl der einzubeziehenden Patienten nicht beeinflussen.

VIII. Weiterführende Literatur

Bekanntmachung zur Anzeige von Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln und Arzneimittelmissbrauch nach § 29 Abs. 1 Satz 2–8 AMG vom 15. Mai 1996, Bundesanzeiger Nr. 97 vom 25. Mai 1996, S. 5929 ff.

Concato J., Shaw N. and Horwitz R. I.: Randomized, Controlled Trials, Observa­tional Studies, and the Hierarchy of Research Designs, N Engl J Med 2000, 342: 1887-92

Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG), Pharm. Ind., Serie Dokumen­tation (2000), Editio Cantor Verlag, Aulendorf

Hönig R., Eberhardt R., Kori-Lindner C., Langen M. (Hersg.): Anwendungsbeobachtung, Habrich Verlag, Berlin, 1998

Merkblatt des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V.: Durchführung von klinischen Arzneimittelprüfungen und Anwendungsbeobachtungen in der Bundesrepublik Deutschland, Editio Cantor Verlag, Aulendorf, 1998

Sickmüller B., Honold E., Becker S.: „Durchführung klinischer Prüfungen“, EU-Richtlinie zur Durchführung klinischer Prüfungen am 1. Mai 2001 in Kraft getreten, Pharm. Ind. 63, Nr. 8 (2001)

Wink K., Engelbrecht J. (Bundesärztekammer und Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft): Klinische Arzneimittelprüfung in der Praxis des niedergelassenen Arztes, Köln, 1997. ISSN 0945-1951

Wink K.: Grundlagen zur Durchführung von Arzneimittelstudien, Grundlagen – Recht und Ethik – Planung und Durchführung – Qualitätskontrolle, Verlag pvv, Ratingen, 2002. ISBN 3-927826-34-0

[/private]