Vom 4. Dezember 1986
zur Frage der Vereinbarkeit der von den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Arzneimittel-Preiskontrolle und der -Kostenerstattung getroffenen Maßnahmen mit Artikel 30 EWG-Vertrag
(ABl. Nr. C 310 vom 4.12.1986, S. 7)

Bisher war es üblich, dass ungerechtfertigte Handelshemmnisse von Fall zu Fall durch einzelne Vertragsverstoßverfahren beseitigt wurden. In ihrem „Weißbuch über die Vollendung des Binnenmarkts“ (KOM(85) 310) hat die Kommission nunmehr angekündigt, dass sie künftig systematischer vorgehen werde, indem sie all­gemeine Mitteilungen veröffentlicht, in denen die Rechtslage insbesondere mit Blick auf die Artikel 30 bis 36 des EWG-Vertrags für einen ganzen Wirtschaftssek­tor oder hinsichtlich einer bestimmten Art von Hemmnissen erläutert werden soll ­(Ziffer 155). Zu den Sektoren, die dabei als vorrangig gelten, gehört der Arzneimittelsektor (Ziffer 156).


I. Einleitung

II. Allgemeine Bemerkungen

Einige seiner Merkmale unterscheiden den Arzneimittelmarkt deutlich von den Märkten anderer Verbrauchsgüter. Zum einen hat der Endverbraucher eines Arzneimittels im allgemeinen nur einen sehr geringen Einfluss auf die Wahl des Arznei­mittels, zumindest was die ärztlich verschriebenen Medikamente betrifft. Hinzu kommt, dass die Nachfrage nach einem Arzneimittel normalerweise mit der Behandlung einer bestimmten Erkrankung verbunden ist und die Arzneimittel untereinander nur in geringem Maße austauschbar sind. Zum anderen ist der Arzneimittelmarkt dadurch gekennzeichnet, dass die Einrichtungen der sozialen Sicherheit anstelle der Verbraucher die Krankheitskosten tragen.

Daher ist es verständlich, dass die Mitgliedstaaten versuchen, die Kosten der Aus­­gaben für Arzneimittel einzudämmen, weil die Allgemeinheit den größten Teil dieser Kosten trägt. Zu diesem Zweck haben die meisten von ihnen Maßnahmen auf dem Gebiet der Preiskontrolle und der Erstattung der Arzneimittelkosten durch die Träger der sozialen Sicherheit getroffen. Diese Maßnahmen sind Teil der Gesundheitspolitik der Mitgliedstaaten und zielen darauf ab, allen Bürgern die bestmög­liche Behandlung zuteil werden zu lassen, ohne übermäßige Belastungen für die Volksgemeinschaft hervorzurufen.

Derartige Maßnahmen sind grundsätzlich mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, sofern ihre beschränkenden Wirkungen für den freien Warenverkehr nicht außer Verhältnis stehen zu dem legitimen Zweck, der damit verfolgt wird. Insbesondere dürfen solche Maßnahmen keine unterschiedliche Behandlung zu Lasten aus anderen Mitgliedstaaten eingeführter Erzeugnisse beinhalten; vor allem dürfen sie nicht dazu führen, dass der Absatz der letzteren unrentabel oder erschwert wird; auch dürfen bestimmte Einfuhrströme nicht unmöglich oder kostenintensiver als andere gemacht werden.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat auf diese Grundsätze insbesondere in zwei Urteilen hingewiesen, die er unlängst in Vorabentscheidungsverfahren erlassen hat (Urteile vom 29. November 1983 in der Rechtssache 181/82 „Roussel“, Slg. 1983, S. 3849 bis 3871, und vom 7. Februar 1984 in der Rechts­sache 238/82 „Duphar“, Slg. 1984, S. 523-545). Diese Urteile bieten der Kom­mission Leitlinien für die Auslegung, mit denen sie eine striktere Kontrolle der Anwendung der Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr – insbesondere der Artikel 30 bis 36 EWG-Vertrag – gewährleisten kann.

Wie die Kommission in ihrem schon zitierten „Weißbuch über die Vollendung des Binnenmarkts“ angekündigt hat, wird sie dem Rat 1986 einen Richtlinienvorschlag über die Transparenz der Preise für Arzneimittelerzeugnisse und Kostenerstattungen durch die Träger der sozialen Sicherheit übermitteln. Mit der vorliegenden Mitteilung soll nicht den Vorschlägen vorgegriffen werden, die die Kommission bei dieser Gelegenheit formulieren wird. Vielmehr werden darin die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aufgrund der Bestimmungen des EWG-Vertrags selbst dargelegt, wie diese vom Gerichtshof ausgelegt worden sind und wie die Kommission sie in eigener Verantwortung anzuwenden gedenkt, um die Einheit des Binnenmarkts der Gemeinschaft zu verwirklichen.

III. Kontrolle der Arzneimittelpreise

A. Allgemeines

Solange es keine einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen gibt, steht es den Mitgliedstaaten frei, jeweils für ihr Hoheitsgebiet Preiskontrollvorschriften für pharmazeutische Erzeugnisse zu erlassen, vorausgesetzt, dass diese den freien Warenverkehr im Gemeinsamen Markt nicht behindern.

Artikel 30 EWG-Vertrag verbietet im Handel zwischen den Mitgliedstaaten alle Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes sind als solche alle Maßnahmen anzusehen, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern (vgl. Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74 „Dassonville“, Slg. 1974, S. 837-866).

Der Gerichtshof hat erklärt, dass diese Grundsätze auch für Preiskontrollregelungen gelten. Er hat dabei darauf hingewiesen, dass ein unterschiedslos für inländische wie für eingeführte Erzeugnisse geltender Preisstopp zwar als solcher noch keine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung ist, dass er jedoch eine solche Wirkung entfalten kann, wenn der Absatz der eingeführten Erzeugnisse aufgrund des Preisniveaus entweder unmöglich gemacht oder gegenüber inländischen Erzeugnissen erschwert wird (vgl. Urteil vom 6. November 1979 in den Rechtssachen 16/79 bis 20/79 „Danis“, Slg. 1979, S. 3327-3342).

Handelt es sich dagegen um eine Preisregelung, die für eingeführte und für hei­mische Erzeugnisse unterschiedliche Maßnahmen vorsieht, so ist dem Gerichtshof zufolge eine solche Regelung als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen, sofern sie geeignet ist, in irgendeiner Art und Weise den Absatz der eingeführten Erzeugnisse zu benachteiligen (vgl. das vorgenannte Urteil 181/82 „Roussel“).

Außerdem hat die Kommission in ihrer Richtlinie 70/50/EWG vom 22. Dezember 1969 (ABl. Nr. L 13 vom 19.1.1970) erklärt, dass mit Artikel 30 Maßnahmen unvereinbar sind, die

– nur für eingeführte Waren Mindest- oder Höchstpreise festlegen, unter denen bzw. über denen Einfuhren verboten, eingeschränkt oder Bedingungen unterworfen sind, welche die Einfuhr behindern können;

– für eingeführte Waren weniger vorteilhafte Preise als für die inländischen Waren festlegen;

– eine etwaige Preiserhöhung für eingeführte Waren entsprechend den mit der Einfuhr verbundenen zusätzlichen Kosten und Belastungen unmöglich machen;

– die Preise für Waren je nach dem Gestehungspreis oder der Qualität nur der inländischen Waren in einer solchen Höhe festlegen, dass sich hieraus ein Einfuhrhindernis ergibt.

B. Preisgestaltung

Auf diesem Gebiet müssen im wesentlichen zwei allgemeine Grundsätze beachtet werden: Preiswahrheit und Preistransparenz. Jedes Erzeugnis muss seinen eigenen Preis haben können, der je nach seinen tatsächlichen Kosten nach einer transparenten Berechnungsmethode errechnet wird.

Im allgemeinen ist es Sache der Hersteller und Einführer, die Preise für jedes ihrer Erzeugnisse festzusetzen, die anschließend im Rahmen von Maßnahmen, mit denen eine Preiskontrolle der Arzneispezialitäten gewährleistet werden soll, den staatlichen Behörden zur Begutachtung vorgelegt werden.

Haben die Mitgliedstaaten beim Inverkehrbringen neuer Erzeugnisse begründeten Anlass, von den Unternehmen Angaben über die von diesen geforderten Preise zu verlangen, aufgrund derer sie die einzelnen Preisfaktoren beurteilen können, so müssen sie den Pharmaunternehmen bei dieser Gelegenheit gestatten, die verschiedenen Kostenbestandteile zu berücksichtigen (Forschungsausgaben, Rohstoff- und Verarbeitungskosten, Ausgaben für Werbung, Transport, Kosten und Abgaben bei der Einfuhr usw.).

Jedenfalls darf die Genehmigung für das Inverkehrbringen (im Sinne der Ratsricht­linie 65/65/EWG vom 26. Januar 1965, ABI. Nr. 22 vom 9. 2. 1965) einer Arzneispezialität ausschließlich aus Gründen der Volksgesundheit versagt, ausgesetzt oder widerrufen werden. Dies bedeutet insbesondere, dass ein Mitgliedstaat eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht lediglich aus dem Grund versagen, aussetzen oder widerrufen darf, dass ihm der Preis einer Arzneispezialität zu hoch erscheint (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 26. Januar 1984 in der Rechtssache 301/82 „Clin-Midy“, Slg. 1984, S. 251-260).

C. Preisstopp

1. Differenzierter Preisstopp

Zunächst ist klar, dass die Mitgliedstaaten keine Preisregelungen erlassen dürfen, die nur für eingeführte Erzeugnisse gelten und damit Maßnahmen darstellen, die stets gegen Artikel 30 EWG-Vertrag verstoßen, da sie geeignet sind, die eingeführten Erzeugnisse zu benachteiligen, vor allem dann, wenn die festgesetzten Preise die Gestehungspreise nicht decken.

In dem erwähnten Urteil 181/82 „Roussel“ hat sich der Gerichtshof zu einer Preisregelung geäußert, bei der zwischen inländischen und eingeführten Erzeugnissen unterschieden wurde. Nachdem er festgestellt hatte, „dass es nicht um eine Regelung geht, die unterschiedslos für eingeführte wie für inländische Erzeugnisse gilt, sondern um für beide Erzeugnisgruppen unterschiedliche Bestimmungen, die in verschiedenen Verordnungen stehen und auch sachlich voneinander abweichen“, hat er für Recht erkannt, „dass eine derartige Regelung, die zwischen den beiden Erzeugnisgruppen differenziert, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung angesehen werden muss, wenn sie geeignet ist, den Absatz eingeführter Erzeugnisse in irgendeiner Weise zu erschweren“. Artikel 30 verbietet demnach, dass ein Mitgliedstaat für pharmazeutische Erzeugnisse eine Sonderregelung trifft, in der auf die Basispreise ab Fabrik Bezug genommen wird, die üblicherweise für die zum Verbrauch in dem Mitgliedstaat der Herstellung bestimmten pharmazeutischen Erzeugnisse berechnet werden, wenn der Regelung für inländische Produkte lediglich ein Einfrieren der Preise auf dem Niveau eines bestimmten Referenzdatums zugrunde liegt (vgl. vorgenanntes Urteil 181/82 „Roussel“).

Nach Auffassung der Kommission ist dagegen nicht davon auszugehen, dass eine Regelung, die die Preise der inländischen Arzneimittel und die Einfuhr- und Vertriebsmargen der eingeführten Erzeugnisse festschreibt, bereits mit Artikel 30 unvereinbar wäre. Eine solche Regelung gäbe den Importeuren entweder die Möglichkeit, die Preise ihrer Erzeugnisse je nach dem Kostenanstieg in dem Mitgliedstaat, in dem sie hergestellt werden, entweder zu erhöhen oder aber davon abzusehen, um ihre Wettbewerbssituation im Vergleich zu den einheimischen Erzeugnissen zu erhalten, deren Preise festgeschrieben sind.

2. Undifferenzierter Preisstopp

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist eine unterschiedslos für inländische wie für eingeführte Erzeugnisse geltende Preisstoppregelung zwar als solche noch keine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung, sie kann jedoch eine solche Wirkung entfalten, wenn der Absatz der eingeführten Erzeugnisse aufgrund des Preisniveaus entweder unmöglich oder gegenüber dem inländischer Erzeugnisse erschwert wird (vgl. vorgenanntes Urteil „Danis-“).

Dies sei insbesondere der Fall bei einer nationalen Regelung, die die Abwälzung der Preiserhöhung für Importwaren auf die Verkaufspreise ausschließt und dadurch die Preise auf einem derart niedrigen Niveau blockiert, dass die Händler, die die frag­lichen Erzeugnisse in den betreffenden Mitgliedstaaten einführen wollen, dies – unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage bei Einfuhrerzeugnissen, verglichen mit der bei inländischen Produkten – nur mit Verlust tun könnten oder durch das Niveau der blockierten Preise der einheimischen Erzeugnisse veranlasst werden, letzteren den Vorzug zu geben (vgl. obengenanntes Urteil).

Dies ist bei Regelungen der Fall, die den Preis für Waren nach dem Gestehungspreis der inländischen Waren allein in einer solchen Höhe festlegen, dass sich hieraus ein Einfuhrhindernis ergibt, oder eine etwaige Preiserhöhung für eingeführte Waren entsprechend den mit der Einfuhr verbundenen zusätzlichen Kosten und Belastungen unmöglich machen (vgl. Richtlinie 70/50/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1969, ABl. Nr. L 13 vom 19.1.1970).

Der Gerichtshof hat den Mitgliedstaaten jedoch das Recht zugestanden, „die Infla­tion zu bekämpfen und Maßnahmen zur Eindämmung des Preisanstiegs bei Arzneimitteln – ungeachtet ihrer Herkunft – zu treffen, vorausgesetzt, dies geschieht durch Maßnahmen, die eingeführte Arzneimittel nicht benachteiligen“ (vgl. vor­genanntes Urteil 181/82 „Roussel“). Die Kommission behält sich insoweit die Möglichkeit vor zu kontrollieren, ob derartige im allgemeinen Interesse liegende Ziele vorhanden sind, und gegen Maßnahmen einzuschreiten, die andere Ziele verfolgen oder importierte Erzeugnisse benachteiligen.

Die Kommission ist ferner der Ansicht, dass ein Mitgliedstaat die Preise für Arzneimittel nicht so festschreiben kann, dass jedes Abwälzen einer Erhöhung der Herstellungskosten in dem Mitgliedstaat oder einer Änderung der Währungsparitäten auf die Preise der eingeführten Erzeugnisse ausgeschlossen wird.

3. Festschreibung der Gewinnspannen

Die Kommission weist darauf hin, dass gemäß ihrer Richtlinie 70/50/EWG einzelstaatliche Maßnahmen, „die nur für eingeführte Waren Gewinnspannen oder jeden sonstigen Preisbestandteil oder diese unterschiedlich für inländische und ein­geführte Waren zum Nachteil der letzteren festlegen, Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen darstellen“.

Andererseits gefährdet die Festsetzung von Höchstmargen für den Vertrieb und den Einzelhandel der inländischen und der eingeführten Arzneimittel prinzipiell den freien Warenverkehr im Gemeinsamen Markt nicht, unabhängig davon, ob die Spanne auf der Grundlage des Warenpreises berechnet ist oder einem festen Betrag entspricht.

Die Höchstmargen für den Vertrieb und den Einzelhandelsverkauf pharmazeutischer Erzeugnisse dürfen allerdings nicht so festgesetzt werden, dass sie bei in einen anderen Mitgliedstaat eingeführten Pharmaerzeugnissen die Einfuhrkosten einschließen. Eine solche Regelung würde dazu führen, dass die Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und die Groß- und Einzelhändler dazu gebracht würden, sich auf dem einheimischen Markt zu versorgen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 5. Juni 1985 in der Rechtssache 116/84 „Roelstraete“, noch nicht veröffentlicht).

Nach Auffassung der Kommission ist die Festlegung der Gewinnspannen bei der Einfuhr mit Artikel 30 EWG-Vertrag nur vereinbar, wenn dadurch den Importeuren die Möglichkeit gegeben wird, die mit der Einfuhr verbundenen Kosten und Belas­tungen zu decken (vgl. vorgenannte Richtlinie 70/50/EWG) und wenn es parallel dazu eine Regelung zur Festschreibung der Preise der inländischen Erzeugnisse gibt.

4. Überprüfung der Preise und Abweichung von den Festschreibungen

Die Kommission weist die Mitgliedstaaten darauf hin, dass eine Überprüfung der festgesetzten oder eingefrorenen Preise stattfinden muss, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse dies aufgrund von Veränderungen des Marktes erforderlich machen. Wenn sie Preiserhöhungen für die inländischen oder eingeführten pharmazeutischen Erzeugnisse genehmigen, dürfen die Mitgliedstaaten sich indes nicht nur auf die Entwicklung des Gestehungspreises der inländischen Erzeugnisse stützen. Dabei müssen jedenfalls die verschiedenen Kostenbestandteile berücksichtigt werden, um rentable Preise festzusetzen.

Schließlich dürfen die Mitgliedstaaten die Gewährung von Preiserhöhungen oder Abweichungen von der Preisblockade nicht an Bedingungen knüpfen, die nur die auf dem eigenen Staatsgebiet niedergelassenen Unternehmen erfüllen könnten, wie beispielsweise Bedingungen oder Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Forschung, der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Durchführung von Investitionen auf dem nationalen Hoheitsgebiet oder der Steigerung der Ausfuhren und der Sanierung der Handelsbilanz.

IV. Erstattung der Arzneimittelkosten

A. Allgemeines

Dem Gerichtshof zufolge sind im Rahmen eines nationalen Systems der Pflichtver­sicherung gegen Krankheit getroffene Maßnahmen, die den Versicherten das Recht versagen, sich auf Kosten der Krankenversicherung mit namentlich genannten Arzneimitteln zu versorgen, mit Artikel 30 EWG-Vertrag vereinbar, wenn bei der Auswahl der ausgeschlossenen Arzneimittel eine Diskriminierung aufgrund des Ursprungs der Erzeugnisse unterbleibt und diese Auswahl auf objektiven und nachprüfbaren Kriterien beruht, wie zum Beispiel darauf, dass auf dem Markt andere, billigere Erzeugnisse mit gleicher therapeutischer Wirkung erhältlich sind, dass die Maßnahme Erzeugnisse betrifft, die ohne ärztliche Verordnung frei gehandelt werden, oder dass auf diese Weise Medikamente aus arzneimitteltherapeutischen Gründen von der Erstattung ausgeschlossen werden, die zum Schutz der Volks­gesundheit gerechtfertigt sind. Es muss jedoch möglich sein, die Listen jederzeit zu ändern, wenn die Einhaltung der betreffenden Kriterien dies verlangt (vgl. vorgenanntes „Duphar“-Urteil).

Diese für den Fall einer Negativliste entwickelten Grundsätze (Auflistung der nicht erstattungsfähigen Arzneimittel) gelten sinngemäß auch im Falle von Positivlisten (Auflistung der erstattungsfähigen Arzneimittel).

B. Anwendung objektiver Kriterien

Der Gerichtshof hat vor allem eine wesentliche Voraussetzung genannt, die die Mitgliedstaaten erfüllen müssen, damit ihre Regelung über die Kostenerstattung von Arzneimitteln mit Artikel 30 vereinbar ist: Die im Fall einer Negativliste aus­geschlossenen oder im Fall einer Positivliste erstattungsfähigen Arzneimittel sind auf der Grundlage objektiver Beurteilungsmaßstäbe unabhängig vom Ursprung der Erzeugnisse zu bestimmen.

Der Gerichtshof hat drei Beispiele objektiver Kriterien genannt, welche die Erstattungsfähigkeit oder Nichterstattungsfähigkeit begründen können:

– das Vorhandensein anderer, billigerer Erzeugnisse mit gleicher Therapiewirkung auf dem Markt;

– es handelt sich um rezeptfreie Medikamente;

– Gründe arzneimitteltherapeutischer Art, die zum Schutz der Volksgesundheit gerechtfertigt sind.

Diese Beispiele geben der Kommission die Möglichkeit, die Voraussetzungen zu verdeutlichen, unter denen die Mitgliedstaaten bestimmte Arzneimittel von der Erstattung ausschließen können.

Der Ausschluss von der Liste der erstattungsfähigen Arzneimittel kann nach Erzeugnisgruppe oder nach Erzeugnis erfolgen, je nachdem ob bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

1. Ausschluss von Erzeugniskategorien

Bei der Bestimmung der Gruppen oder Kategorien von Erzeugnissen, die erstattungsfähig oder von der Erstattung ausgeschlossen sind, ist von allgemeinen objek­tiven Kriterien therapeutischer Art auszugehen. Wenn für die Erstattung thera­peutische Klassen bestimmt werden, können sie demnach nicht auf ein einziges Erzeugnis oder einen einzigen aktiven Stoff reduziert werden; denn durch die Zulassung einer Klasse würde dies ermöglichen, ein bestimmtes Erzeugnis zu erstatten und durch den Ausschluss einer anderen Klasse ein anderes Erzeugnis mit gleicher Heilwirkung nicht zu erstatten.

Ist die Erstattung einer therapeutischen Kategorie genehmigt, so müssen nicht notwendigerweise alle Erzeugnisse dieser Kategorie erstattet werden; der gezielte Ausschluss von Erzeugnissen kann dann nur in der nachstehend angegebenen Weise erfolgen.

2. Ausschluss bestimmter Erzeugnisse

Der Ausschluss von der Erstattung oder die Nichtzulassung namentlich genannter Arzneimittel zur Erstattung muss sich auf eine Beurteilung der (wirtschaftlichen) Kosten und des (therapeutischen) Nutzens der Behandlung im Vergleich mit anderen Behandlungen gründen. Diese Beurteilung kann bei Arzneimitteln, deren Wirksamkeit nicht bewiesen wurde oder deren Kosten zu hoch sind, gemäß den Gemeinschaftsrichtlinien zum Ausschluss von der Erstattung und zu bestimmten Indikationen führen, die für die soziale Sicherheit ungerechtfertigte Ausgaben zur Folge haben können.

Ganz allgemein ist die Kommission der Ansicht, dass die Behandlungskosten das einzige Kriterium wirtschaftlicher Art sind, das für die Zulassung zur Erstattung oder den Ausschluss von der Erstattung eines bestimmten Arzneimittels maßgeblich sein darf. Ein Arzneimittel kann somit von der Erstattung ausgeschlossen werden, weil auf dem Markt ein oder mehrere Arzneimittel mit gleicher Heilwirkung erhältlich sind, sofern bei deren Beurteilung die Indikationen und Nebenwirkungen jedes einzelnen Medikaments berücksichtigt werden. Beim Vergleich der Behandlungskosten sind die voraussichtliche Dosierung und Behandlungsdauer zu beachten, die die betreffende Therapiewirkung ermöglichen.

3. Bemerkungen

Der Ausschluss von ohne ärztliche Verordnung frei gehandelten Erzeugnissen von der Erstattung entspricht den oben genannten Grundsätzen (vgl. vorgenanntes Urteil 238/82 „Duphar“).

Für unvereinbar mit diesen Grundsätzen hält die Kommission

– den Ausschluss von der Erstattung für eine oder mehrere therapeutische Klassen von Markenerzeugnissen oder die Zulassung zur Erstattung nur von sog. „generics“ unabhängig von ihren Preisen;

– die ausschließliche Zulassung einer zuvor festgelegten Zahl von Medikamenten zur Erstattung für jede therapeutische Klasse oder alle therapeutischen Klassen.

C. Verfahrensfragen

Nach Auffassung des Gerichtshofes müssen die Kriterien, auf die sich die Mitgliedstaaten beim Ausschluss bestimmter Arzneimittel von der Erstattung stützen, von jedem Einführer nachgeprüft werden können. Außerdem muss es möglich sein, die Listen der erstattungsfähigen oder der von der Erstattung ausgeschlossenen Arznei­mittel jederzeit zu ändern, wenn die Einhaltung der betreffenden Kriterien dies erfordert. Die Entscheidungen über die Zulassung zur Erstattung oder den Ausschluss von der Erstattung müssen somit bestimmte Form- und Verfahrensbedingungen erfüllen. Auch in diesem Zusammenhang muss zwischen dem Ausschluss von Erzeugniskategorien und den Einzelentscheidungen für bestimmte Erzeugnisse unterschieden werden.

1. Ausschluss von Erzeugniskategorien

Die oben definierten Entscheidungen über den Ausschluss bestimmter Erzeugnis­kategorien müssen Gegenstand einer amtlichen Veröffentlichung sein. Falls alle Erzeugnisse, die zu den Erzeugniskategorien gehören, deren Erstattung genehmigt ist, nicht erstattet werden, müssen die Kriterien ebenfalls veröffentlicht werden, die für die Bestimmung der ausgeschlossenen oder der erstattungsfähigen Erzeugnisse zugrunde gelegt werden.

2. Ausschluss bestimmter Erzeugnisse

a) Fristen Wenn die Mitgliedstaaten mit einem Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels befasst werden, müssen sie darüber in einer angemessenen Frist befinden. Nach Auffassung der Kommission sollte diese Frist in keinem Fall 120 Tage überschreiten, also die Frist, die für die Gewährung einer Genehmigung des Inverkehrbringens vorgesehen ist (vgl. Artikel 7 der vorgenannten Richtlinie 65/65/EWG).

b) Begründung Die Entscheidungen, nach denen bestimmte Erzeugnisse nicht zur Erstattung zugelassen werden, müssen begründet werden. Wird der Ausschluss von der Erstattung darauf gestützt, dass auf dem Markt andere Erzeugnisse mit gleicher therapeutischer Wirkung erhältlich seien, so müssen in der Entscheidung die betreffenden Erzeugnisse, ihr Preis sowie die Angaben über die Dosierung und die Dauer der Behandlung genannt werden, die bei dem Preisvergleich zu­grunde gelegt wurden.

c) Meldung und Rechtsmittel Die Entscheidungen, wonach bestimmte Erzeugnisse nicht zur Erstattung zugelassen werden, müssen den betroffenen Unternehmen unter Angabe der ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel und der Fristen, innerhalb derer diese Rechtsmittel eingelegt werden müssen, mitgeteilt werden.

3. Überprüfung der Listen

Wie der Gerichtshof entschieden hat, müssen die Mitgliedstaaten die Listen der Arzneimittel, die von der Erstattung ausgeschlossen oder zur Erstattung zugelassen werden, immer dann ändern, wenn die Einhaltung der betreffenden Kriterien dies erfordert. Dazu müssen die Mitgliedstaaten regelmäßige Überprüfungen der Positiv- und Negativlisten vorsehen.

V. Schlussbemerkung

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Rechtsvorschriften und ihre Verwaltungspraxis im Lichte der in dieser Mitteilung dargelegten Grundsätze zu überprüfen und sie diesen gegebenenfalls anzupassen. Unabhängig von ihrer obigen Ankündigung, dem Rat in Kürze einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Transparenz der Preise für pharmazeutische Produkte und die Erstattungen im Rahmen der sozialen Sicherheit vorzulegen, behält sich die Kommission vor, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Vertragsverstoßverfahren zu eröffnen oder bereits begonnene Verfahren gegen die Mitgliedstaaten fortzusetzen, die nach ihrer Auffassung den ihnen aufgrund des EWG-Vertrags obliegenden einschlägigen Verpflichtungen nicht nachkommen.

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