Vom 24. März 2017
über die Einzelheiten der Inspektionsverfahren hinsichtlich der guten klinischen Praxis gemäß der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates
(ABl. L 80 vom 25. März 2017, S. 7)


Die Europäische Kommission

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG*), insbesondere auf Artikel 78 Absatz 7,

*) ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 1.

Erwägungsgründe der Durchführungsverordnung (EU) 2017/556 vom 25. März 2017

hat folgende Verordnung erlassen:



1. Kapitel Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1 Geltungsbereich

Diese Verordnung gilt für Inspektionen von

a) in der Union durchgeführten klinischen Prüfungen, einschließlich Prüfstellen, die im Zusammenhang mit diesen Prüfungen stehen, sich jedoch außerhalb der Union befinden;

b) klinischen Prüfungen, auf die in den Anträgen auf Genehmigung einer klinischen Prüfung gemäß Artikel 25 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 Bezug genommen wird;

c) in Drittländern durchgeführten klinischen Prüfungen, auf die in Zulassungsanträgen in der Union Bezug genommen wird.

Artikel 2 Zeitpunkt der Inspektionen

Inspektionen können zu folgenden Zeiten durchgeführt werden:

a) vor, während oder nach der Durchführung einer klinischen Prüfung;

b) im Rahmen der Prüfung von Anträgen auf Erteilung einer Zulassung;

c) im Rahmen des Follow-up nach Erteilung einer solchen Zulassung.

Artikel 3 Qualitätssicherungssystem

1. Jeder Mitgliedstaat richtet ein geeignetes Qualitätssicherungssystem ein, das die Überprüfung und konsequente Überwachung der Inspektionsverfahren gewährleistet. Die Mitgliedstaaten halten diese Qualitätssicherungssysteme auf dem aktuellen Stand.

2. Jeder Inspektor erhält Zugang zu den Standardarbeitsanweisungen sowie den Einzelheiten seiner Aufgaben, Zuständigkeiten und Schulungsanforderungen, und er erfüllt die betreffenden Vorgaben und Anforderungen.

2. Kapitel Inspektoren

Artikel 4 Qualifikationen, Schulungen und Erfahrung

1. Die Inspektoren verfügen über einen Universitätsabschluss oder gleichwertige Erfahrung in den Bereichen Medizin, Pharmazie, Pharmakologie, Toxikologie oder in anderen Bereichen, die für die Grundsätze der guten klinischen Praxis relevant sind.

2. Sie erhalten geeignete Schulungen, einschließlich der Teilnahme an Inspektionen. Der Bedarf an Schulungen, die sie benötigen, um ihr Kompetenzniveau aufrechtzuerhalten oder zu verbessern, wird regelmäßig von einer für diese Aufgabe benannten Person ermittelt.

3. Die Inspektoren verfügen über Kenntnisse der Grundsätze und Prozesse, die bei der Entwicklung von Arzneimitteln und bei der klinischen Forschung zur Anwendung kommen; darüber hinaus verfügen sie über Kenntnisse der auf Unionsebene und nationaler Ebene geltenden Vorschriften und Leitlinien zur Durchführung klinischer Prüfungen und zur Erteilung von Zulassungen.

4. Sie sind in der Lage, eine fachliche Bewertung hinsichtlich der Einhaltung der auf Unionsebene und nationaler Ebene geltenden Rechtsvorschriften und Leitlinien vorzunehmen. Sie sind außerdem in der Lage, die Datenintegrität sowie Fragen bezüglich der ethischen Durchführung klinischer Prüfungen zu beurteilen.

5. Die Inspektoren sind mit den Verfahren und technischen Methoden für die Aufzeichnung und das Management klinischer Daten vertraut und kennen die Organisation der Gesundheitsversorgungssysteme in den betreffenden Mitgliedstaaten und gegebenenfalls in Drittländern sowie die diesbezüglichen Vorschriften.

6. Sie sind in der Lage, das Ausmaß des Risikos hinsichtlich der Sicherheit der Prüfungsteilnehmer sowie hinsichtlich der Datenintegrität zu bewerten.

7. Die Inspektoren kennen die geltenden Vorschriften zur Vertraulichkeit und zum Schutz personenbezogener Daten.

8. Die Mitgliedstaaten führen Aufzeichnungen über Qualifikationen, Schulungen und Erfahrung jedes Inspektors und halten diese Aufzeichnungen auf dem aktuellen Stand, solange der Inspektor im aktiven Dienst ist.

Artikel 5 Interessenkonflikt und Unparteilichkeit

1. Die Inspektoren sind unabhängig von jeglichem Einfluss, der ihre Unparteilichkeit oder ihr Urteil beeinträchtigen könnte.

2. Sie befinden sich in keinem Interessenkonflikt. Sie sind insbesondere unabhängig von folgenden Parteien:

a) dem Sponsor;

b) den an der klinischen Prüfung beteiligten Prüfern;

c) den Personen, die die klinische Prüfung finanzieren;

d) jeder anderen an der Durchführung der klinischen Prüfung beteiligten Partei.

3. Jeder Inspektor gibt jährlich eine Erklärung über seine finanziellen Interessen und sonstige Verbindungen zu den Parteien ab, die möglicherweise einer Inspektion unterzogen werden. Diese Erklärung wird bei der Zuteilung einer bestimmten Inspektion an einen Inspektor berücksichtigt.

3. Kapitel Inspektionsverfahren

Artikel 6 Gegenstand der Inspektionen

Die Inspektoren überprüfen die Erfüllung der Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014; dazu gehören der Schutz der Rechte und des Wohlergehens der Prüfungsteilnehmer, die Qualität und Integrität der im Rahmen der klinischen Prüfung gewonnenen Daten sowie die Einhaltung der Grundsätze der guten klinischen Praxis, einschließlich der ethischen Aspekte und der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften.

Artikel 7 Von den Mitgliedstaaten festzulegende Verfahren

1. Die Mitgliedstaaten legen die relevanten Verfahren für mindestens Folgendes fest:

a) Benennung von Experten, die die Inspektoren begleiten, wenn für eine Inspektion zusätzliches Fachwissen erforderlich ist;

b) Organisation von Inspektionen außerhalb der Union;

c) Überprüfung der Befolgung der guten klinischen Praxis; dazu gehören die Modalitäten für die Untersuchung der Verfahren des Prüfungsmanagements und der Bedingungen, unter denen die klinische Prüfung geplant, durchgeführt, überwacht und dokumentiert wird, sowie der Folgemaßnahmen, wie zum Beispiel eine Überprüfung einer Fehlerursachenanalyse für eine schwerwiegende Nichteinhaltung und die Überprüfung vom Sponsor durchgeführter Korrektur- und Präventivmaßnahmen.

Die Mitgliedstaaten machen diese Verfahren und Vorschriften öffentlich zugänglich.

2. Des Weiteren legen sie die Befugnisse der Experten fest, die benannt werden, um die Inspektoren zu begleiten.

Artikel 8 Unangekündigte Inspektionen

Die Inspektionen können erforderlichenfalls unangekündigt erfolgen.

Artikel 9 Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten

1. Die Mitgliedstaaten arbeiten untereinander, mit der Kommission und mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur zusammen, um allgemein anerkannte Standards für Inspektionen hinsichtlich der guten klinischen Praxis zu entwickeln und zu verbessern. Diese Zusammenarbeit kann in Form gemeinsamer Inspektionen und vereinbarter Prozesse und Verfahren sowie durch Erfahrungs- und Schulungsaustausch erfolgen.

2. Die Kommission macht alle in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Arzneimittel-Agentur entwickelten Leitliniendokumente zu den allgemein anerkannten Standards für die Durchführung von Inspektionen öffentlich zugänglich.

3. Die Europäische Arzneimittel-Agentur verarbeitet die Informationen über geplante, angesetzte oder durchgeführte Inspektionen und stellt sie den Mitgliedstaaten zur Verfügung, damit diese die Inspektionsressourcen bei der Planung ihrer Inspektionen so effizient wie möglich nutzen können.

4. Die Mitgliedstaaten können im Hinblick auf eine Inspektion die nationale zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats um Unterstützung ersuchen.

Artikel 10 Befugnisse der Inspektoren

1. Die Inspektionen werden von Inspektoren durchgeführt, die von den Mitgliedstaaten benannt wurden.

Um die Verfügbarkeit der nötigen Fähigkeiten für jede Inspektion sicherzustellen, können die Mitgliedstaaten Inspektorenteams und zusätzlich Experten mit den entsprechenden Qualifikationen benennen, die die Inspektoren begleiten.

2. Die Inspektoren sind befugt, die Prüfstellen, Unterlagen, Einrichtungen, Aufzeichnungen, einschließlich individueller Patientenakten, Qualitätsregelungen, Daten sowie sonstige Ressourcen und Einrichtungen zu inspizieren, bei denen die zuständige Behörde einen Bezug zu der klinischen Prüfung als gegeben erachtet.

3. Im Rahmen der Durchführung einer Inspektion haben die Inspektoren Zugang zu Betriebsräumen und sonstigen zugehörigen Räumlichkeiten sowie zu Daten, einschließlich individueller Patientenakten.

4. Die Inspektoren sind befugt, Kopien von Aufzeichnungen, Ausdrucke von elektronischen Aufzeichnungen und Fotos von Räumlichkeiten und Ausrüstung zu machen.

5. Sie sind befugt, jeden Vertreter oder jeden Mitarbeiter der inspizierten Einrichtung sowie jede an der klinischen Prüfung beteiligte Partei zum Gegenstand und für die Zwecke der Inspektion zu befragen und die Antwort zu dokumentieren.

6. Die Inspektoren sind befugt, sich direkt mit den Prüfungsteilnehmern in Verbindung zu setzen, insbesondere bei dem begründeten Verdacht, dass diese über ihre Teilnahme an der klinischen Prüfung nicht ausreichend informiert wurden.

7. Die Mitgliedstaaten statten die Inspektoren mit geeigneten Mitteln zu ihrer Identifizierung aus.

8. Sie legen einen rechtlichen und administrativen Rahmen fest, um zu gewährleisten, dass Inspektoren anderer Mitgliedstaaten auf Verlangen und falls angebracht Zugang zu Prüfstellen, zu allen Räumlichkeiten von Einrichtungen mit Bezug zu der klinischen Prüfung sowie zu einschlägigen Daten haben.

Artikel 11 Anerkennung der Inspektionsergebnisse

Die Inspektoren führen die Inspektionen im Namen der Union durch. Die Ergebnisse dieser Inspektionen werden von allen Mitgliedstaaten anerkannt.

Im Fall von Divergenzen zwischen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Überprüfung der Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften setzen die Mitgliedstaaten oder die Europäische Arzneimittel-Agentur im Rahmen ihrer Befugnisse gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates*) die Kommission hiervon in Kenntnis. Die Kommission kann nach Konsultation dieser Mitgliedstaaten und der Europäischen Arzneimittel-Agentur eine erneute Inspektion fordern.

*) Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1).

Artikel 12 Ressourcen

Die Mitgliedstaaten benennen eine angemessene Zahl von Inspektoren, damit wirksam überprüft werden kann, ob die klinischen Prüfungen den geltenden Anforderungen entsprechen, und damit die Inspektionsergebnisse zeitnah gemeldet werden können.

Artikel 13 Inspektionsberichte und Aufzeichnungen

Unbeschadet der in Artikel 78 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 festgelegten Verpflichtung, die Inspektionsberichte über das EU-Portal zu übermitteln, bewahren die Mitgliedstaaten die relevanten Aufzeichnungen über nationale Inspektionen sowie über die außerhalb ihres Hoheitsgebiets durchgeführten Inspektionen — einschließlich der Informationen zum Ergebnis der Inspektion hinsichtlich der Befolgung der guten klinischen Praxis sowie jeder vom Sponsor oder vom Mitgliedstaat nach der Inspektion ergriffenen Abhilfemaßnahme — mindestens 25 Jahre lang auf. Die über das EU-Portal übermittelten Inspektionsberichte enthalten keine personenbezogenen Daten von Prüfungsteilnehmern.

Artikel 14 Vertraulichkeit

Inspektoren und die als Begleiter des Inspektionsteams benannten Experten behandeln die Informationen, zu denen sie im Rahmen der Inspektionen hinsichtlich der guten klinischen Praxis Zugang erhalten, vertraulich.

4. Kapitel Schlussbestimmungen

Artikel 15 Aufhebung

Die Richtlinie 2005/28/EG wird ab dem in Artikel 17 Absatz 2 genannten Datum aufgehoben.

Artikel 16 Übergangsbestimmungen

Gemäß Artikel 98 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gilt die Richtlinie 2005/28/EG — mit Ausnahme ihrer Kapitel 5 und 6 — weiterhin für alle durch die Richtlinie 2001/20/EG geregelten klinischen Prüfungen.

Artikel 17 Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Sie gilt nach Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der in Artikel 82 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 genannten Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Union.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

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